Nach dem Brexit-Schock hätte die britische Labour-Partei politische Chancen wie selten zuvor – stattdessen zerlegt sie sich gerade selbst: Dank ihrem Chef Jeremy Corbyn und hunderttausend neuer Mitglieder.
Das ist eine aktualisierte Fassung eines Artikels, der in profil erschienen ist.
Was macht ein linker britischer Oppositionsführer, um der Welt die scheußlichen Folgen des Neoliberalismus vor Augen zu führen? Wenn er Jeremy Corbyn heißt, kauert er sich bei der Anreise zu einem Wahlkampfauftritt auf den Boden einer Zugsgarnitur und beklagt wortreich, dass er keinen Sitzplatz mehr gefunden habe: Alle Waggons seien „gerammelt voll“ – eine Folge der Privatisierung des Bahnverkehrs, unter der viele Pendler zu leiden hätten.
Das Video, das der Labour-Chef Mitte August von seiner Protestaktion online stellte, erwies sich als Hit. Allerdings nur für seine Gegner. Wenig später konterte der Zugsbetreiber Virgin – das Unternehmen des Multimilliardärs Richard Branson – mit Videos aus einer Überwachungskamera. Sie zeigen, dass der Zug nur halb voll ist, und Corbyn sich nach vollbrachter Jeremiade auf einem der zahlreichen freien Plätze niederlässt.