Anpfiff!
Das schafft auch nur die Queen: 40.000 Fußballfans zum Schweigen zu bringen. Ein Stadion voll Testosteron, vor dem Anpfiff Sprechchöre und Geschrei. Dann plötzlich herrschte am Mittwochabend Totenstille. Am Fußballfeld zwei Kränze. Eine Schweigeminute für Königin Elizabeth II., mit der all diese jungen Engländer bisher ihr Leben verbracht haben. "RIP Your Majesty" stand auf einem Banner auf der Tribüne bei den Chelsea-Fans.
Die Gegenseite hatte auch ein Transparent entrollt: "In Memory of Queen Elizabeth II". In eine kleine Ecke des Stadiums gezwängt, umringt von Sicherheitsleuten in gelben Jacken, zeigten sich die 800 Fans aus Salzburg respektvoll. Dass das Champions-League-Game zwischen Chelsea und Salzburg im Stadion an der Stamford Bridge in London überhaupt stattfinden konnte, ging angeblich nur, weil die Salzburg-Fans so zahm sind. Die Metropolitan Police hat vor dem Westminster-Palast auch ohne Fußball-Hooligans schon genug zu tun. Dort stehen die Queen-Fans Kilometer lang bis zur Tower Bridge Schlange, um sich von ihrer Monarchin zu verabschieden.
In den Tagen vor dem Begräbnis der Queen am 19. September wird jetzt kaum mehr in der Premier League gespielt. Arsenal gegen Eindhoven wurde vom Donnerstag auf den 20. Oktober verlegt. Die Queen hat auch die Fußballwelt durcheinandergebracht. Richtig in Schwung kam auch das Spiel zwischen Chelsea und Salzburg erst in den letzten Minuten. Raheem Sterling bei Chelsea und Noah Okafor von den Salzburgern retteten die Ehre ihrer Clubs mit jeweils einem Tor, das Spiel endete unentschieden. Sterling ist in Britannien eine Berühmtheit auch abseits des Fußballfeldes. Der 27-jährige Brite aus Jamaika sprach sich zuletzt sehr deutlich über den Rassismus im Fußball aus. Chelsea-Fans nicht ausgenommen.
Bei Chelsea ist auch sonst einiges los. Da der russische, Putin-nahe Oligarch Roman Abramowitsch mit Sanktionen belegt wurde, musste er den Club, den er über die Jahre ganz schön aufgepäppelt hat, im März um drei Milliarden Euro verkaufen. Die neuen Besitzer, ein Konsortium rund um US-Geschäftsmann Todd Boehly, mussten noch zusätzlich rund zwei Milliarden an Neuinvestitionen zusagen. Der neue Boss hat gleich mal den alten Trainer gefeuert, weshalb jetzt ein neuer namens Graham Potter am Mittwoch sein erstes Game erlebte. Obwohl Chelsea eindeutig stärker spielte – Ballbesitz 67 Prozent -, hielt die Verteidigung der Salzburger erstaunlich gut. Anders als Namensvetter Harry scheint Graham Potter also - Vorsicht: Namenswitz - keine Zauberkräfte zu besitzen.
Chelsea bleibt trotzdem eines der Top-Teams in England. Ganze vier sind in der Champions League vertreten, den besten Teams aus Europa. Aus Österreich ist nur Salzburg dabei. Den "roten Bullen" haben die Finanzspritzen ihres Sponsors ebenfalls gutgetan. Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz hat sich seit 2005 des Clubs angenommen. Im Vergleich zu Chelsea haben die Salzburger nur ein schlankes Jahresbudget von knapp 100 Millionen. Aber es hat gewirkt. Die Red-Bull-Mannschaft ist seit neun Jahren durchgehend Meister. Das Team ist international – auch wegen der Akademie für die Nachwuchsspieler - so angesehen, dass ihr Sportdirektor angeblich jetzt von Chelsea umworben wird: "Man soll nie etwas ausschließen", sagt Christoph Freund im Sky-Interview noch Mittwochnacht genüsslich.
Recht zufrieden zog Team Salzburg aus London wieder ab. Das Rückspiel in der Red-Bull-Arena in Salzburg findet am 25. Oktober statt. Bis dahin wird der Fußball wieder im Zentrum stehen. Dann wird auch wieder die Hymne der Champions League gespielt, die aus Respekt vor der Königin in London gestrichen wurde. Dafür aber sangen die jungen Fans mehrfach spontan aus vollen Kehlen "God save the Queen". Dass es jetzt einen neuen König Charles III. gibt, war ihnen egal. Noch herrscht in London Trauer um die alte Königin. Einen schönen Abend wünscht Ihnen Tessa Szyszkowitz
Was Sie immer schon über den neuen König der Briten King Charles III. wissen wollten, lesen Sie hier.https://www.falter.at/maily/20220915/anpfiff