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Queen Elizabeth II. Eine Würdigung

Queen Elizabeth II. Eine Würdigung

Tessa Szyszkowitz über das lange Leben der britischen Monarchin. Und was Großbritannien nach ihrem Tod erwartet.

Falter.at am 8.9.22

Ihre letzte Amtshandlung war es, der neuen britischen Premierministerin Liz Truss die Hand zu schütteln. Auf einen Stock gestützt, stand die 96-jährige Königin Elizabeth II. am 6. September im mintgrünen Sitting Room in ihrem schottischen Lieblingsschloss Balmoral und lächelte. Vielleicht erfreute es sie, dass sie zum dritten Mal eine Frau als Regierungschefin bestellen konnte. Vielleicht aber sah die Queen auch nur freundlich drein, weil das eben ihr Job war.

In Wahrheit war sie bereits sehr gezeichnet von Alter und Krankheit – obwohl bis zum Schluss von den Palastpressesprechern immer nur von „Mobilitätsproblemen“ gesprochen wurde. Als sie am Donnerstag Nachmittag  starb, wurde nicht viel mehr über ihren gesundheitlichen Zustand spekuliert. Die längst dienende Monarchin des britischen Königreichs hatte es sich nach allgemeiner Ansicht nach siebzig Jahren am Thron verdient, einfach ihre Augen schließen zu können. Nach Balmoral waren in den Stunden davor ihr Sohn und Thronfolger Charles, dessen Frau Camilla und ihr Enkel und Charles’ Thronfolger William gekommen. Auch Prinz Harry und andere hochrangige Familienmitglieder waren angereist.

Obwohl ihre Nachfolge geklärt ist und mit Charles und William aus Sicht der monarchistischen Briten ausreichend konformistische und stabile Nachfolger bereitstehen, trifft der Tod der Queen die Briten tief. Und nicht nur Engländer, Schotten, Waliser und Nordiren – die vier Nationen ihres Vereinigten Königinnenreiches – zeigten sich bestürzt. Auch die Regierungen der vierzehn unabhängigen Staaten, deren Königin sie war, verhängten Staatstrauer. Das Ableben der Queen wurde zum Weltereignis, die Trauer erfasste auch hartgesottene Nicht-Monarchistinnen auf der ganzen Welt.

Als Staatsoberhaupt war die Königin des Vereinigten Königreich vor allem in den letzten Jahren ihres Lebens zunehmend für viele ihrer Untertanen die Kraft der Ruhe, Freundlichkeit und Güte geworden. Denn ihr Königreich war zerstritten – die Engländer setzten den Brexit durch, die Schotten waren gegen den Austritt aus der EU und drohen im Gegenzug damit, sich unabhängig zu erklären. Die regierende konservative Partei – traditionell dem Königshaus näher als die Labour-Partei – war intern zerstritten über den populistischen Radikalisierungskurs, den der Brexit und Boris Johnson in Gang gesetzt hatten. Ob die Königin das vulgär fand? Man sollte darüber nicht einmal spekulieren. Ihr Job war es, über der Politik zu stehen.

Auch deshalb hatte sich die alte Dame zunehmend aufs Lächeln verlegt. In ihren 70 Jahren Regentschaft hatte sie oft nichts zu lachen. Sie war die längst dienende Monarchin, nicht einmal Queen Victoria hatte so lange auf dem Thron ausgeharrt. Elizabeth schlug ihre Ururgroßmutter um sieben Jahre. Politisch gesehen war diese Königin Zeugin der großen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts. Trotzdem sie als Königskind beschützt durchs Leben ging, war sie als Teil des britischen Politsystems unmittelbar davon betroffen.

Den Zweiten Weltkrieg erlebte sie von Windsor Castle aus, die Siegesfeiern erlebte sie nur deshalb mit, weil sie sich mit ihrer Schwester Margaret unters Volk mischte. Prinzessinnen waren für höhere Schuldbildung nicht vorgesehen, ihr wurden von Hauslehrerinnen ein bisschen Geschichte, Sprachen und Literatur beigebracht – tatsächlich musste sie in ihrem späteren Job als Regentin nur noch zeremonielle Tätigkeiten erledigen. Repräsentieren lernte sie von Anfang an.

Kaum am Thron konnte sie nichts anderes tun, als den Untergang des Britischen Empires mit Würde zu begleiten. Vom 17. bis zum 20. Jahrhundert waren die britischen Monarchen die Oberhäupter des größten Kolonialreiches der Geschichte gewesen. Von den napoleonischen Kriegen bis zum ersten Weltkrieg auch die führende Weltmacht. Doch nach dem zweiten Weltkrieg erklärten sich die Staaten unabhängig – Indien und Pakistan 1947, Burma, das heutige Myanmar, und Ceylon, heute: Sri Lanka, 1948. Mit der Suezkrise endete auch der Einfluss im Nahen Osten. Gamal Abdel Nasser, der Ägypten aus der britischen Einflusszone herausbrechen wollte, setzte sich durch.

Elisabeth wurde die Königin der Abwicklung. Als Oberhaupt des Commonwealth, der etwas zahnlosen Nachfolgeorganisation des Britischen Empires, reiste Königin Elizabeth II. zwar unermüdlich durch die 56 Mitgliedsstaaten. Doch der Einfluss der Windsors nahm zunehmend ab. Vor allem in den letzten Jahren, als der Queen die Kraft zu fehlen begann, ihrer Tätigkeit als Topmonarchin nachzukommen, wurden auch die Proteste bei den Besuchen der Royals lauter. In Jamaika im März 2022 sahen sich William und Kate vor der Hauptstadt Kingston mit Demonstranten konfrontiert, die Entschädigungszahlungen für die Sklaverei forderten, von der auch das Königshaus profitiert hatte.

Der Queen blieb über die Jahrzehnte nichts anderes übrig, auch innerhalb des Vereinigten Königreichs den Verfall ihrer Macht mit stoischer Höflichkeit zu begleiten. Ferien gab es für sie nie – nur über die beiden Weihnachtstage blieb ihr Büro offiziell geschlossen. Seit 1688 ist die Kernnation England eine konstitutionelle Monarchie, die nicht-geschriebene Verfassung schränkt die Rechte der Monarchen ein. Politisch hat nicht die Königin die Macht, sondern das Parlament.

Es gab zwar immer mal wieder eine kleine Monarchie-Debatte in ihrem Königreich, aber richtig ernst wurde es zu Lebzeiten der Queen nie. Ihre bloß zeremoniellen und repräsentativen Aufgaben wollten ihr die Briten eigentlich nicht wegnehmen. Sie galt als Touristen-Magnet und in den letzten Jahren, in denen Großbrtiannien in den Brexit taumelte, auch als Garant der Stabilität. Nicht einmal der kurzlebige Labour-Chef Jeremy Corbyn traute sich, der Königin ins Gesicht zu sagen, dass er sie abschaffen wollte.

Privat überstand die Queen in ihrem langen Leben viele Krisen. ...

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© 2018 Tessa Szyszkowitz