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Die Lehren aus Sandy Hook

https://www.falter.at/zeitung/20220810/die-lehren-aus-der-tragoedie-von-sandy-hooks/_dbc9246c60

49,3 Millionen Dollar – 48,4 Millionen Euro – muss Alex Jones dafür zahlen, dass er in seiner Radioshow gelogen hat. Das ist die gute Nachricht der Woche.

 Neben Donald Trump ist Alex Jones einer der bekanntesten Proponenten und Verbreiter von rechtsextremen Verschwörungstheorien in Amerika. Er betreibt InfoWars, ein rechtsradikales US-amerikanisches Onlineportal. InfoWars ist höchst lukrativ, an seinen besten Tagen nimmt Jones schon mal 800.000 Dollar ein – er verkauft über seine Webseite zum Beispiel „Survival Kits“, mit denen man die Apokalypse überleben kann. Ein Korkenzieher aus einer Patrone kostet 12 Dollar.

Jones aber betreibt seine Informationskriege auch buchstäblich. Er verbreitet gegen besseres Wissen und Gewissen Fake News.

So geschehen in seiner „Berichterstattung“ über das Schulmassaker in der Grundschule Sandy Hooks am 14. Dezember 2012. Der 20-jährige Adam Lanza war Amok gelaufen und hatte mit den Gewehren seiner Mutter, die diese legal besessen hatte, 20 Schulkinder und sechs Angestellte der Schule ermordet. Seine Mutter und sich selbst erschoss er auch.

Es war der zweitgrößte Anschlag auf eine Schule in der Geschichte Amerikas. Neben Schock und Horror zog der Amoklauf eine erneute, leider erfolglose Diskussion über die bessere Kontrolle von Schusswaffen im Privatbesitz nach sich.

An dieser Debatte beteiligte sich auch Radiomoderator Alex Jones. Er behauptete mehrfach, das Massaker in Sandy Hook hätte gar nicht stattgefunden. Es sei inszeniert worden, um die Gesetze für Waffenbesitz zu verschärfen. Dieser haarsträubende Blödsinn verbreitete sich in rechten Foren wie ein Waldbrand. Die für Verschwörungstheorien sehr anfälligen Fans von Alex Jones begannen die trauernden Eltern zu verfolgen – im Internet, aber auch im realen Leben. Die Eltern der ermordeten Schulkinder wurden der Lüge bezichtigt und ihrerseits mit Mord und Totschlag bedroht.

Es ist dem Mut von Scarlett Lewis und Neil Heslin zu verdanken, dass es jetzt zu diesem Sieg über einen Verschwörungstheoretiker im Travis County Courthouse in Austin, Texas, gekommen ist. Lewis und Heslin sind die Eltern des 6-jährigen Jessie, der 2012 in Sandy Hook erschossen worden war. „Warum verbreiten Sie über uns solche Lügen?“, fragte Jessies Mutter Jones im Gerichtssaal: „Ich bin eine echte Mutter, die einen echten Sohn hatte.“ Jones sagte auch: „Amerika ist auch wegen Leuten wie Ihnen so gespalten.“

Die Jury gab den Eltern recht, die Jones auf Schadenersatz geklagt hatten. Jones wird nach seiner Berufung vielleicht viel weniger zahlen müssen. Aber er ist immerhin im Gerichtssaal gezwungen gewesen, öffentlich zuzugeben, dass er wissentlich gelogen hat.

Die Zivilcourage der Eltern hat sich ausgezahlt. Das macht ihren schrecklichen Verlust natürlich nicht wett. Die Waffenlobby in den USA wird dadurch auch nicht schwächer. Aber man kann gegen Verschwörungstheoretiker gewinnen. Nicht jede Lüge im Netz bleibt ungestraft. Nicht jede Hetzkampagne von Internet-Trollen, deren Drohungen auch ins reale Leben übergreifen, muss ohne Gegenwehr enden.

Das gilt natürlich nicht nur für Amerika. In Österreich können Hass und Lügen im Netz auch verfolgt und bestraft werden. Wenn Internetznutzer glauben, dass Ivermectin nicht nur Pferde von Würmern, sondern auch Menschen von Covid befreit, dann ist das unwissenschaftlich und für ihre eigene Gesundheit gefährlich. Schreiben aber werden sie darüber können. Was diese Querdenker aber nicht dürfen, ist einer Ärztin, die sie vor Ivermectin als Covidkur warnt, mit Mord zu drohen. Egal, ob im Internet oder in ihrer Ordination. Da muss die Polizei eingreifen.
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© 2018 Tessa Szyszkowitz