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„Ich dachte mein Kopf würde explodieren“

https://www.falter.at/zeitung/20220531/ich-dachte-mein-kopf-wuerde-explodieren?ref=homepage

Dan McCrum und Paul Murphy, die für die Financial Times den Wirecard-Skandal aufgedeckt haben, sprechen erstmals darüber, wie sie an die Dokumente mit der Nowitschok-Formel kamen. Und was das mit Wirecard-Manager Jan Marsalek zu tun hat

TESSA SZYSZKOWITZ
MEDIEN, FALTER 22/22 VOM 31.05.2022

Dan McCrum trifft den Falter in einem kleinen italienischen Restaurant in Westlondon. Es hat extra für den Aufdeckerjournalisten der Financial Times zu Mittag aufgesperrt. Zugegen ist auch Paul Murphy, der das Investigativteam der FT leitet. Die beiden Finanzreporter haben entscheidend dazu beigetragen, dass Deutschlands gefeiertes Tech-Fin-Unternehmen Wirecard vor zwei Jahren im Juni 2020 in sich zusammenbrach wie ein Kartenhaus. 1.9 Milliarden Euro, die angeblich auf Treuhandkonten lagen, existierten nicht.

Die österreichischen Manager von Wirecard, Markus Braun und Jan Marsalek, hatten sich jahrelang gegen McCrums Recherchen mit Drohungen gewehrt. Rechtsanwälte und Privatdetektive wurden engagiert, McCrum wurde verfolgt und bedroht, man versuchte, ihn zu bestechen. Ob Marsalek wirklich zehn Millionen Euro für McCrums Schweigen gezahlt hätte oder ob das eine Falle war, weiß McCrum bis heute nicht.

Die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin erstattete 2019 nicht etwa gegen Wirecard Anzeige wegen Betrugs, sondern gegen McCrum wegen des Verdachts auf Aktienmanipulation. Gemeinsam mit Investigations-Experte Paul Murphy und dem damaligen Chefredakteur Lionel Barber hielt Dan McCrum dem Druck stand.

Im Juni 2020 erwies sich, dass Wirecard tatsächlich ein House of Cards war. Das Unternehmen, gerade noch 24 Milliarden Euro wert, meldete Insolvenz an. Im zweitgrößten Kursrutsch der DAX-Geschichte verbrannten Milliarden Euro. Wirecard-Chef Markus Braun sitzt heute in U-Haft, Jan Marsalek floh im Juni 2020 mit einem Privatflieger aus Bad Vöslau Richtung Osten. Beim Doppelinterview mit dem Falter wählt Aufdecker McCrum seine Worte mit Bedacht – denn die Geschichte des Österreichers Jan Marsalek und seinen Beziehungen zum russischen Regime ist noch längst nicht fertig erzählt.

 

Falter: Wie lebt es sich ohne Todesdrohungen?

 

Dan McCrum: Oh, großartig! Erst als es vorbei war, habe ich realisiert, wie sehr ich unter Druck gestanden hatte. Die Drohungen begannen nicht plötzlich, sie waren über die Monate immer intensiver geworden. Man schickte mir Privatdetektive hinterher. Und dann sagte Paul eines Tages zu mir: „Ach ja, das wollte ich dir schon die ganze Zeit sagen: Es gibt hier eine Russland-Connection. Jan Marsalek sagt, er habe Dokumente, in denen das Rezept für Nowitschok stehen soll.“ Ich dachte, mein Kopf würde explodieren. Das klang alles so verrückt.

 

Falter: Bis heute ist nicht so klar, wer wie im Herbst 2018 an die Dokumente mit der Nowitschok-Formel gekommen ist. Wissen Sie das?

 

Paul Murphy: Dan, haben wir schon mal erzählt, wie wir an die Nowitschok-Formel gekommen sind?

 

McCrum: Nein, Paul, haben wir nicht.

 

Falter: Dann ist es doch jetzt höchste Zeit!

 

Murphy: Es war ganz einfach. Der Typ, der sagte, Marsalek habe Dokumente mit der Nowitschok-Formel, sagte zu mir, elektronisch würde er sie nicht weitergeben. Also sagte ich: Gut,....

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