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Pudding und Spiele

https://www.cicero.de/aussenpolitik/70-thronjubilaum-von-elizabeth-ii-pudding-und-spiele

Seit 70 Jahren ist Elizabeth II. britische Queen. Die bei ihren Untertanen überaus verehrte Königin wird in den kommenden Monaten ausführlich gefeiert. Doch es liegen Schatten über ihrer Familie und über dem Vereinigten Königreich.

Von Tessa Szyszkowitz, London

 

Ein britisches Thron-Jubiläum ist nur dann perfekt, wenn es auch ein eigenes Gericht dazu gibt, das sich bei den Straßenparties zu Ehren der Queen verzehren lässt. Die Krönung von Elizabeth II. wurde 1953 mit dem “Coronation chicken” gefeiert: Hühnersalat mit Mayonnaise und Curry-Pulver. Zu ihrem 70. Thronjubiläum wurde jetzt vom traditionellen Londoner Teehaus Fortnum & Mason ein Wettbewerb ausgeschrieben: “Finden wir den perfekten Pudding für die Queen!”

 

Das britische Königshaus besitzt heutzutage vornehmlich symbolischen Charakter. Deshalb wird nichts - nicht einmal der Pudding, wie die Briten ihren Nachtisch nennen - dem Zufall überlassen. Das “Coronation chicken” mit indischem Gewürz im Jahr 1953 war eine Verbeugung vor Indien, der ehemaligen Kolonie und einem damals neuen Mitglied des Commonwealth. Die 54 Staaten dieser Organisation - die meisten davon ehemals britische Territorien - halten der Queen die Treue und sehen sie als Staatsoberhaupt. Bis heute landet das Krönungshühnchen oft als Salat in britischen Sandwiches.

 

70 Jahre später gilt es nun, die von ihren Untertanen tief verehrte 95-jährige Elizabeth gebührend zu feiern. Der Pudding ist dabei in der Organisation dieses einmaligen Events das geringste Problem. Es muss eine feine Linie gefunden werden zwischen dem Besonderen und dem Profanen - dem Vorzeigen royalen Prunks und gleichzeitig der Verankerung der Queen in die derzeit schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen sich die meisten Untertanen nach zwei Jahren Covidpandemie wiederfinden. “Pudding und Spiele” ist deshalb das inoffizielle Motto dieses Jubiläums. Das Volk soll sich amüsieren und ablenken. Aber mit bescheidenen Mitteln, damit auch die Ärmsten teilnehmen können.

 

Auch Boris Johnson kann Ablenkung gebrauchen. Vor allem von seiner von Skandalen geschüttelten Regierung. Der konservative Premierminister trägt die politische Verantwortung für das Chaos in Downing Street – vor dem Wochenende kam es zu einer Welle von politischen Rücktritten im Regierungssitz. Die Partei rebelliert gegen ihn, Nordirland wird seit dem Brexit zusehends instabler und die Schotten planen ihre Unabhängigkeit von England. Deshalb kommt es Johnson sehr gelegen, die Queen gebührend zu feiern. Sie ist, wie es auf der königlichen Webseite royal.uk heisst, das Symbol der “nationalen Identität, der Einheit und des Stolzes”.

 

Noch keine britische Monarchin, noch kein Monarch haben es bis zum Platin-Jubiläum geschafft. Aufmerksame Leserinnen mögen sich fragen: Wenn Elizabeth 1953 gekrönt wurde, wieso hat sie dann 2022 bereits das 70-jährige Kronjubiläum? Die Antwort ist einfach und kompliziert zugleich: Der königliche Kalender folgt eben nicht dem bürgerlichen Kalender.

 

Als ihr Vater, George VI., am 6. Februar 1952 in London verstarb, war Prinzession Elisabeth mit ihrem Mann Philipp gerade auf Reisen in Kenia. Deshalb zählt dieses Datum als jenes, an dem sie Königin wurde. Der Legende nach erfuhr sie vom Tod ihres Vaters in einem Baumhaus-Hotel, weshalb sich jahrzehntelang ein geflügeltes Wort hielt: “Sie stieg als Prinzessin hinauf und kam als Königin hinunter.” In Wahrheit hatte das Paar den Baum schon vorher verlassen. Ihre Krönung fand erst ein Jahr später statt.

 

Doch vieles im Leben der Königin ist nicht eine Frage der Fakten, sondern der königlichen Auslegung derselben. Das Platinum-Jubiläum 

zum Beispiel wird nicht am 6. Februar gefeiert. Auch ihr Geburtstag – in diesem Jahr der 96. – wird wie immer nicht am eigentlichen Datum, dem 21. April, begangen. Da das Wetter in ihrem Vereinigten Königreich etwas unbeständig ist, feiert die Königin Geburtstage und Jubileen lieber Anfang Juni, wenn zumindest die Hoffnung besteht, dass es dann einmal nicht regnet. Als Königin muss sie die Feste nicht feiern, wie sie fallen. Sondern dann, wenn es ihr genehm ist.

 

Nicht nur das Königshaus, auch die britische Regierung anerkennt die Bedeutung des Jubiläums. Da den Briten nichts heiliger ist als die Queen....

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© 2018 Tessa Szyszkowitz