Innerhalb seiner eigenen Partei ist der konservative Premierminister Boris Johnson unter Beschuss. Ihm wird vorgeworfen, über illegale Partys in Downing Street während des Lockdowns gelogen zu haben. Ein Tory-Abgeordneter ist bereits zu Labour gewechselt. Es könnte zu einem Misstrauensvotum kommen.
Knapp vor den mit Spannung erwarteten „Prime Minister’s Questions“ am Mittwoch Mittag hat der bisherige konservative Parlamentarier Christian Wakeford ein politisches Bömbchen ins Unterhaus geworfen: Der Tory-Abgeordnete für den Wahlbezirk Bury South verkündete am Mittwoch, er habe die konservative Partei verlassen und sei zur Labour-Party gewechselt. „Willkommen!“, sagte Labour-Chef Keir Starmer im Unterhaus und zeigte triumphierend hinter sich auf Wakeford, der sich bereits zu seinen neuen Parteikollegen auf die Labour-Bänke gesetzt hatte.
Das Abgeordnetenhaus kochte vor politischer Aufregung. Seit Mittwoch ist es nicht mehr klar, ob der umkämpfte britische Premierminister Boris Johnson diese Woche politisch überlebt. Unter dem Gejohle der Opposition erhob sich der 57-jährige Konservative von der grünen Regierungsbank und stellte sich an die Dispatch-Box. Jeden Mittwoch in der Parlamentssaison findet im Unterhaus im Westminster-Palast ein verbales Duell zwischen Regierungschef und Oppositionsführer statt. Boris Johnson, der seit seinen Studententagen im Oxford Union Club gerade unter Druck zu rhetorischen Höchstleistungen aufläuft, tat sich dieses Mal schwerer.
Angeblich nichts gewusst
Hat er oder hat er nicht von den illegalen Partys gewusst, die während der Covid-Lockdowns in seinem Regierungshauptquartier in Downing Street abgehalten wurden? Vor allem eine Party am 20. Mai 2020 macht dem Regierungschef zu schaffen: Hundert Mitarbeiter waren per E-Mail eingeladen worden, im Garten des Premierministers „das schöne Wetter zu genießen“. Boris Johnson nahm an der Party selbst teil. Covid-Regeln besagten dagegen für den Rest der Bevölkerung, dass man nur mit einer Person außerhalb des Haushaltes auf zwei Meter Abstand spazieren gehen durfte.
Ein knappes Jahr später, am 16. April 2021, fanden wieder Parties während des nächsten Lockdowns in Downing Street statt. Boris Johnson war selbst nicht dabei. Doch das Image ist verheerend, denn Queen Elizabeth II. saß am Tag darauf allein beim Begräbnis ihres Mannes Philipp auf der Kirchenbank – so wie es die Covid-Regeln zum damaligen Zeitpunkt vorschrieben.
Unter dem höhnischen Gelächter der Opposition versuchte Johnson, sich gegen die bohrenden Fragen des Oppositionschefs zu verteidigen: „Ich habe schon oft gesagt: Ich habe nicht gewusst, dass es sich um eine Party handelte.“ Keir Starmer hatte leichtes Spiel: „Hundert Mitarbeiter wurden zu einer Party mit Drinks eingeladen, und nur der Premierminister hat als einziger gedacht, es sei kein soziales Treffen? Weiß er nicht, wie lächerlich das klingt?“ Und: „Wenn ein Regierungschef das Parlament belügt, soll er zurücktreten.“
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