Der britisch-französische Anwalt Philippe Sands will juristisch gegen massive Naturzerstörung vorgehen. Der "Ökozid" soll ein neuer Strafbestand am Internationalen Strafgerichtshof werden
Philippe Sands kommt gerne nach Wien. Das war nicht immer so. Vor 33 Jahren stand er zum ersten Mal auf der Taborstraße 72. Dort hatten seine Großeltern vor dem Krieg gewohnt. Später wurde in der Familie nicht mehr über Wien gesprochen. Kein deutsches Wort kam ihnen über die Lippen.
In diesem Herbst will er in Wien für seine neueste Initiative werben: Beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) soll ein neuer Tatbestand eingeführt werden. Neben Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression sollen Täter auch für Ökozid vor den IStGH gebracht werden können. Wie schwierig nicht nur die Definition, sondern auch die Implementierung internationaler Justiz ist, darüber sprach Sands mit dem Falter.
Falter: Herr Sands, Sie tragen eine Initiative mit, die Ökozid beim Internationalen Strafgerichtshof als Tatbestand etablieren möchte. Sind Sie optimistisch?
Philippe Sands: Ökozid ist keine neue Idee. Die US-Army hat Agent Orange (hochgiftiges, chemisches Entlaubungsmittel, Anm.) im Vietnamkrieg eingesetzt, danach hat sich der schwedische Ministerpräsident Olaf Palme 1972 bei der UN-Konferenz zur menschlichen Umwelt dafür eingesetzt, Ökozid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu etablieren. Als das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes 1998 in Rom aus der Taufe gehoben wurde, einigte man sich auf vier Straftatbestände: Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression. Ich war damals dabei und habe die Präambel mitverhandelt. Auf Ökozid konnte man sich damals noch nicht einigen.
Stehen die Chancen heute besser, weil der Klimawandel nicht mehr zu leugnen ist?
Sands: In Großbritannien macht sich eine kleine NGO namens "Stop Ecocide" dafür stark. Vor einem Jahr wurde ich von ihnen beauftragt, mit einem Panel von zwölf internationalen Anwälten eine Definition auszuarbeiten. Die anderen vier Strafbestände sollen Menschen schützen.
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