AUSLAND DIE WELT-KOLUMNE
Das Vereinigte Königreich ist derzeit nicht versorgungssicher. In vielen Supermärkten stehen die Regale leer. Weil 100.000 Lkw-Fahrer fehlen, müssen Tankstellen zusperren oder Treibstoff rationieren. Viele Fahrer aus Ländern der Europäischen Union tun sich die mühsame Detour über Großbritannien einfach nicht mehr an. Zu viele Extradokumente und Zeitverlust machen die Arbeit bei den Engländern unrentabel.
Aufgrund der Covid-Pandemie fehlt es auch in anderen Ländern an so manchem, nicht zuletzt an Arbeitnehmern. Doch selbst wenn Boris Johnson das nicht gerne hört: In der EU mit 440 Millionen Einwohnern gleicht der Binnenmarkt mit der Freizügigkeit für Güter und Personen Versorgungsschwierigkeiten besser aus. Im Inselstaat Britannien mit 66 Millionen geht das seit dem Brexit nicht mehr.
Das ist das Erste, was der britische Premierminister von Angela Merkel lernen könnte. Proeuropäische Politik ist vielleicht oft fad. Doch die EU-Regeln, die mit so viel Mühe und Kompromissbereitschaft errungen worden sind, machen eben doch Sinn. Vor allem in der Krise.
Die Brexit-Folgen wird Boris Johnson jetzt nicht mehr so schnell los. 5000 Lkw-Fahrer mit temporären Visa bis Weihnachten werden das Kraut nicht fett machen.
Doch der EU-Skeptiker wurde auf einem nationalistisch-populistischen Ticket Premierminister. Er stellt daher grundsätzlich keinen Zusammenhang zwischen Engpass und Brexit her. Das wäre Häresie. Auf der Regierungsbank, der Frontbench im Unterhaus, sitzen auch keine konservativen Granden der Tories mehr, die noch unter David Cameron und Theresa May mit dabei waren.
Statt Philip Hammond, der Johnson als politisches Korrektiv dienen könnte, ist zurzeit Liz Truss Außenministerin. Sie singt am liebsten Loblieder auf den neuen Freihandelsvertrag mit Australien, mit dem die britische Wirtschaft in 15 Jahren um genau 0,02 Prozent wachsen soll.
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