Das Fiasko um den Abzug aus Afghanistan belastet die Beziehungen zwischen den Briten und den Amerikanern. Im Cicero-Interview fordert der britische Konservative Tom Tugendhat eine Neuorientierung auf europäische Partner – allen voran auf Deutschland.
Tom Tugendhat verbirgt seine Frustration nicht. Der britische Konservative hat als Soldat in Afghanistan und im Irak gedient. Heute ist der Abgeordnete Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im britischen Unterhaus. Für ihn ist nicht der Einsatz in Afghanistan ein Fehler gewesen, sondern der amerikanische Rückzug: „Nur weil Präsident Biden sich gelangweilt hat und seine Truppen abgezogen hat, heißt das nicht, dass der Einsatz in Afghanistan kein Erfolg war“, sagt der 48-jährige Abgeordnete im Interview mit Cicero. „Das Land hat sich in diesen 20 Jahren verändert. Kabul ist eine andere Stadt, Frauen und Mädchen haben ein völlig anderes Leben bekommen. Die Wirtschaft hatte sich verändert, die Bevölkerung ist gewachsen.“
Zum Stichtag 31. August sind alle alliierten Soldaten aus Afghanistan abgezogen worden. Damit endet, so sagte es US-Präsident Joe Biden in der Nacht zum 1. September, der „immerwährende Krieg“ gegen den Terror in Afghanistan – zumindest für die Bodentruppen aus Amerika und den Nato-Staaten, die sich nach den Anschlägen auf Amerika am 9. September 2001 erstmals unter Berufung auf kollektive Verteidigung nach Artikel 5 gemeinsam am Hindukusch engagiert hatten. Die Herrschaft der Taliban war 2001 beendet worden, Al-Qaida-Mastermind Osama bin Laden konnte in Pakistan 2011 getötet werden.