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"Ich werde ihm sagen, was ich ihm zu sagen habe"

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"Ich werde ihm sagen, was ich ihm zu sagen habe"

Wenn US-Präsident Biden und Russlands Präsident Putin einander in Genf treffen, ist Dissident Alexej Nawalny der Elefant im Raum.

von Tessa Szyszkowitz

Man hat ihn vergiftet und eingesperrt, aber zum Schweigen konnte Alexej Nawalny bis jetzt nicht gebracht werden. Im Gegenteil. Wenn Russlands Präsident Wladimir Putin am Mittwoch der kommenden Woche in Genf US-Präsident Joe Biden trifft, dann ist auch der russische Oppositionsführer dabei - zumindest im Geiste.

Neben gemeinsamen Interessen wie Rüstungskontrolle, Klimawandel und der Strategie gegenüber Krisenherden wie Syrien und Problemkindern wie dem Iran will Biden mit Putin bei seinem ersten bilateralen Treffen ganz klar auch jene Bereiche ansprechen, in denen der russische Präsident nach Meinung des Amerikaners feindselige Politik betreibt: Cyber-Hacking-Angriffe auf westliche Server, die Einmischung russischer Internettrolle über soziale Medien in politische Prozesse im Westen - und die Unterdrückung kritischer Medien, unabhängiger NGOs und oppositioneller Politiker in Russland selbst.

Die russische Staatsanwaltschaft, die ebenso wie die Staatsduma - das russische Parlament - seit langen Jahren auf Kremllinie gebracht wurde, wendet derzeit verstärkt Gesetze an, die seit 2012 immer wieder verschärft werden und dazu dienen, dreierlei Kritikern ihre Plattformen zu entziehen.

Das Gesetz zu "ausländischen Agenten" trifft kritische Medien-Netzwerke, die bei jedem Artikel das Prädikat "ausländischer Agent" posten müssen. Die Werbeeinnahmen von Onlinemedien wie "Meduza" sind daraufhin derart eingebrochen, dass ihr finanzielles Überleben auf dem Spiel steht.

Das Gesetz zu "ausländischen Agenten" trifft auch NGOs. Ebenso jenes zu "unerwünschten" Organisationen, das seit Ende Mai dazu führt, dass NGOs in Westeuropa die Zusammenarbeit mit russischen Mitarbeitern einstellen. Denn wer mit einer "unerwünschten" Organisation kooperiert, kann mit jahrelangen Gefängnisstrafen belegt werden.

Drei NGOs, die einst im Rahmen des deutsch-russischen Petersburger Dialogs unter der Schirmherrschaft von Putin und dem deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder 2004 gegründet wurden, beendeten ihre Arbeit sofort. Der zunehmend aggressive und paranoide Charakter des russischen Regimes eliminiert nun schon die eigenen Initiativen.

Die sofortige Auflösung von NGOs ist dabei keine Garantie für den Schutz von russischen Mitarbeitern mehr. Die von Exiloligarch Michail Chodorkowski vor Jahren zur Förderung von Demokratie und Pluralismus gegründete Organisation "Offenes Russland" stellte Ende Mai ihre Arbeit ein. Trotzdem wurde deren ehemaliger Direktor Andrej Piwowarow am 1. Juni auf dem Flughafen in Petersburg verhaftet. Das Flugzeug nach Warschau war bereits auf dem Rollfeld gewesen. Ihm drohen bis zu sechs Jahre Haft. Nach einem Anfang Juni von Putin unterzeichneten Gesetz werden nun auch Personen, die mit "extremistischen oder terroristischen Organisationen" zusammenarbeiten, von einer Kandidatur bei Wahlen ausgeschlossen. Alexej Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung FBK wurde soeben als "extremistisch" eingestuft. Seine Mitarbeiter dürfen nicht wie geplant bei den Parlamentswahlen im Herbst antreten.

Bevor Biden nach Genf zu Putin fuhr, kündigte er an: "Ich werde ihm sagen, was ich ihm zu sagen habe." Es klang wie eine Drohung. "Wir wollen keinen Konflikt, aber wir werden robust antworten, wenn die russische Regierung schädliche Aktionen unternimmt." Biden sagte nicht: gegen Amerika. Er schließt also den Schutz russischer Staatsbürger in Russland mit ein - und damit auch Alexej Nawalny, der in einer russischen Strafkolonie der Willkür seiner Kerkermeister ausgesetzt ist.

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© 2018 Tessa Szyszkowitz