Vom Kindertransport aus Wien über die Fleet Street in London zur Uno in New York – und zurück. Die britisch-österreichische Journalistenlegende Hella Pick hat ihre Memoiren geschrieben.
Noch waren ihre Memoiren nicht erschienen, da überboten sich die Fans bereits mit Lobeshymnen. „Hella Pick wendet ihre außerordentlichen Reporterkünste auf sich selbst an“, schreibt ihr ehemaliger Chefredakteur Alan Rusbridger im Klappentext von „Invisible Walls“: „Das Resultat fasziniert, berührt und inspiriert.“
35 Jahre lang war Hella Pick die diplomatische Korrespondentin der britischen Tageszeitung „The Guardian“. Dieser Werdegang war ihr keineswegs in die Wiege gelegt worden. Sie kam als 11-jährige im März 1939 mit einem Kindertransport aus Wien nach London. Das jüdische Mädchen sprach kein Englisch. Um so erstaunlicher war ihre Karriere in einer Welt von englischen Fleet-Street-Hacks und amerikanischen Journalisten, die sich nach dem Dinner noch bei einer Zigarre ohne ihre Frauen zum Politik-Chat zurückzuziehen pflegten. Hella Pick änderte diese Regeln.
Von der Ermordung John F Kennedys bis zu Mikhail Gorbatschows Perestroika zeichnete sie alles auf, was zwischen Washington und Warschau im Kalten Krieg passierte. Ihre Memoiren, die gerade auf Englisch herausgekommen sind, lesen sich wie ein Who’s Who der internationalen Politik von 1957 bis 2021.
Auch ihre erste Heimat Österreich hat sie nicht nur oft besucht, sondern auch viel beschrieben. Im Rückblick macht sie keinen Hehl aus ihren Sympathien. Kurt Waldheim missfiel ihr schon in der UNO, seine Wahl zum österreichischen Präsidenten 1986 begleitete sie kritisch. Dem öffentlichen Zerwürfnis zwischen Bruno Kreisky und Simon Wiesenthal zusehen zu müssen, muss sie geschmerzt haben. Ein Streit, den nicht einmal Willy Brandt, ein enger Freund Picks, schlichten konnte.
Bis heute mischt die inzwischen 91-jährige Legende gerne mit. Zwischen London und Wien ist sie gern gesehener Gast bei Konferenzen und Talk-Shows. Die linksliberale Grande Dame des britischen Journalismus fühlt sich in einer Welt, in der rechte Populisten Wahlen gewinnen und den Brexit durchgesetzt haben, ein bisschen aus der Zeit gefallen. Doch vielleicht ist die Vintage-Globalistin eigentlich der Prototyp des späteren 21. Jahrhunderts. Als jüdische Britin aus Wien weiß sie um den Wert von Wurzeln genauso wie um die Chancen komplexer Identitäten.
Hella Picks Memoiren, „Invisible Walls, A Journalist in Search of her Life“, ist bei Weidenfeld & Nicholsen im März 2021 auch als E-book erschienen. (ISBN-13: 9781474613767.)
Tessa Szyszkowitz, London