Helen Mirren as Queen Elizabeth II
London. Queen Elizabeth II. beim privaten Schwätzchen mit David Cameron? Da wäre ich gern dabei, wenn die alte Königin mit dem Premiernovizen tratscht. Moment, ich bin’s ja. Helen Mirren hatte gerade mit “The Audience” im Londoner Westend als Königin Premiere. “Wie geht’s dem Baby?”, fragt Cameron und die Königin schreckt auf: “Welches Baby?”
Das Stück ist spritzig und witzig, im Saal wird viel gelacht. Die Komödie ist eine erneute Kooperation zwischen Autor Peter Morgan und jener Schauspielerin, die bereits 2006 einen Oscar für diese Rolle bekommen hat: Helen Mirren ist “The Queen”. Diesmal geht es Morgan um die “politische” Seite der britischen Königin. “The audience” ist eine Parade von Premierministern, die im Buckingham Palace zum Tee kommen. All das beruht auf einer kuriosen Tradition. Jeden Dienstag trifft Elizabeth II. den jeweiligen Premierminister unter vier Augen, der Inhalt bleibt strikt geheim. Großbritannien hat keine geschriebene Verfassung, viele ungeschriebene Gesetze entstehen zufällig.
Stückeschreiber Peter Morgan (“Frost/Nixon” und “The Queen”) hat recherchiert und glaubt, Winston Churchill habe die Sache begonnen. Peter Morgan ist übrigens nicht nur professionell Aristo-interessiert, er ist der Schwiegersohn von Karl Schwarzenberg und lebt angeblich derzeit mit seiner Frau Lila wieder in Wien. Während des Krieges jedenfalls besuchte Winston Churchill König George VI. regelmäßig. Ab 1952 machte er einfach der jungen Elizabeth einmal pro Woche die Aufwartung.
Winston Churchill und Elizabeth II. sind ein komisches Paar. Er ist am Ende seiner und sie am Anfang ihrer Regentschaft. Er will, dass sie ihre Krönung um ein Jahr verschiebt, sie greift ihn an: “Sie wollen doch nur, dass ich mich besser vorbereite, damit Sie länger bleiben können!” Churchill aber war ihr eindeutig lieber als Margaret Thatcher, die einzige Frau in Downing Street 10. Die zwei mächtigsten Frauen Britanniens zerstritten sich 1985 über Thatchers harte Haltung gegenüber Apartheid in Südafrika und dem Streik der Minenarbeiter in England. Thatcher stürmt ihre Audienz geradezu und der Königinnenmund verhärtet sich zu einem ganz dünnen Strich. Das einzige, was die beiden Frauen verbindet, ist die Liebe zu schwarzen Handtaschen.
Ihr liebster Premierminister ist kein Tory, es ist ausgerechnet Harold Wilson. Der Arbeiterklassenheld der 60er und 70er erscheint bei der ersten Audienz mit einer Polaroidkamera. Seine Frau will einen Schnappschuss mit Queen. Die wiederum verliebt sich fast in den niedrigen Mann mit Herz und fotografischem Gedächtnis, lädt ihn sogar in ihren schottischen Landsitz Balmoral ein und weint fast, als er ihr am Ende gesteht, dass er an Alzheimer erkrankt ist.
Jener Premierminister, den die Queen am meisten verachtet, darf leider gar nicht erst auf die Bühne. Es ist für uns Normalmenschen nicht klar, wieso Dramatiker Peter Morgan auf die vielversprechend kontroversielle Szene zwischen der Königin und Tony Blair verzichtet hat. Schließlich ist überliefert, dass Blairs Frau Cherie sich geweigert hat, vor der Königin zu knicksen. Wollte Morgan der Monarchin gefallen? Oder ist er des ehemaligen Labour-Stars bloß müde? Blair ist schon lange genug im Rampenlicht gestanden.
Egal, denn der wahre Star von “The Audience” ist ja Helen Mirren. Im Film von Stephen Frears zeigte Mirren die Monarchin in aller menschlicher Beschränktheit oder beschränkter Menschlichkeit. Und im Theater? Der Verhang geht auf und da sitzt sie auf einem zitronengelben, imperialen Stuhl, die schwarze Handtasche steht neben ihr und auf ihrem Gesicht liegt ein kleines Lächeln. Keine Frage, Helen Mirren ist die bessere Königin.
Sie spielt Elizabeth II. mit Witz und Humor: “Unsereins kann nicht zurücktreten”, seufzt sie: “Nicht so wie der Papst.” Und obwohl die wahre Königin niemals ernsthaft daran denken würde, für ihren baumnarrischen Sohn Charles abzudanken, so hat sie doch ab und an eine schwache Minute. Ist der Buckingham Palast doch eher ein prachtvolles Gefängnis als ein zu Hause? Ganz hinten auf der Bühne, am Ende einer aufgemalten Zimmerflucht sehen wir zwei winzige rotsamtige Thröne stehen. Wie Kinderspielzeug sehen sie aus.
Am Ende dieser konventionellen Komödie mit königlichem Twist sinniert die Queen: “Was also bin ich? Eine Briefmarke mit Puls?”
“Die Audienz” mit Helen Mirren hat am Gielgud Theatre in London am 5. März Premiere. Am 13. Juni wird das Stück live in Kinos auf der ganzen Welt gestreamt. Nicht nach Wien - obwohl Morgan dort zur Zeit wieder mit seiner österreichischen Frau Lila Schwarzenberg lebt - aber in Berlin sogar in vier Kinos:
http://ntlive.nationaltheatre.org.uk/venues
http://www.theaudienceplay.com/home/
Helen Mirren hat am 28.4. einen Olivier-Award als beste Darstellerin gewonnen: