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Erpressung auf Griechisch

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Die Panik auf Zypern lässt die griechischen Nachbarn nicht kalt: “Business und Politik – es geht nur noch um gegenseitige Erpressung”, sagt der griechische Journalist Kostas Vaxevanis. Wir treffen uns im “Free Word Centre” im Londoner Osten. Der 45jährige wirkt wie einer, der das Leben gerne ein bisschen mehr genießen würde, der aber in die Rolle des nationalen Aufdeckers gezwungen wurde. Müde schüttelt er den Kopf: “In Griechenland ging es nicht darum, den Griechen zu helfen, sondern den Banken. In Zypern streiten sich EU und Russen ums Geld und die Zyprioten müssen um ihre Ersparnisse zittern.”

Der Chefredakteur von “Hot doc” macht sich keine Illusionen. Als er vorigen Oktober in Athen die mittlerweile berühmtberüchtigte Lagarde-Liste veröffentlichte – eine Aufstellung von rund 2000 Namen von Griechen, die Konten in der Schweizer Bank HSBC halten – wurde er erst einmal verhaftet. “Statt die Steuerflüchtlinge zu verfolgen, verfolgt man mich”, meint er knapp. Dabei ist der Geldabfluss von 27 Milliarden Euro pro Jahr eines der größten Probleme Griechenlands.

Christine Lagarde, heute Chefin des “Internationalen Währungsfonds”, hatte die Liste noch in ihrer Funktion als französische Finanzministerin 2010 der griechischen Regierung gegeben, mit dem deutlichen Hinweis, die Regierung solle sich erst ihre unsoldarischen Reichen zur Brust nehmen, bevor die EU wieder Milliarden Euro flüssig macht. Nichts geschah. Der damalige Finanzminister George Papaconstantinou wird heute sogar beschuldigt, drei Verwandte von der Liste gestrichen zu haben.

Für Vaxevanis war klar: Es war im öffentlichen Interesse, die Lagarde-Liste publik zu machen. Im Oktober mussten die Richter ihn erst frei lassen, “denn ich habe das Datenschutzrecht nicht verletzt. Wir haben ja nur gesagt, wer ein Konto in der Schweiz hat und nicht, wie viel Geld dort liegt.” In London wurde er am 21. März für seine Tat mit dem Journalistenenpreis von “Index on Censorship” geehrt.

Obwohl das Magazin “hot doc” chronisch unterfinanziert ist, will Vaxevanis weitermachen. Seine jüngste Recherche betrifft den Untersuchungsausschuss zur Lagarde-Liste im griechischen Parlament. Er ist laut Vaxevanis unter anderen von folgenden Abgeordneten besetzt: “Eine Exfrau von einem, der auf der Lagarde-Liste steht; eine Mutter von einem, der auf der Liste aufscheint; ein Rechtsanwalt, der einen auf der Liste Genannten vertritt. Und ein Mandatar, der selbst in zwei Korruptionsfälle verwickelt ist.”

In Griechenland wollen viele lieber den Aufdecker aus dem Verkehr ziehen als jene, die das Land in die finanzielle Misere regiert haben. Ihm droht ein zweiter Prozess wegen der Lagarde-Liste und eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren. “Wenn ich verurteilt werde, dann werde ich nicht berufen”, meint der Journalist trotzig: “Vielleicht verstehen die Leute dann besser, was hier in Griechenland passiert.”

Der zweite Prozess gegen Kostas Vaxevanis beginnt am 6. Juni.

http://www.hotdoc.gr/

http://www.indexoncensorship.org/2013/03/why-i-would-go-to-jail-for-my-journalistic-beliefs/

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© 2018 Tessa Szyszkowitz