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Sie wird nicht in Frieden ruhen

Bei Margaret Thatchers bombastischen Staatsbegräbnis hielt sich die Trauer in Grenzen. Ihre politischen Erben sind zu sehr damit beschäftigt, von ihrer politischen Hinterlassenschaft zu profitieren.

London. Schweißüberströmt lieferten die Sargträger Margaret Thatchers sterbliche Überreste unter der Kuppel von St. Paul’s ab. Die Wackelpartie von der Pferdekutsche die Stufen zum Kirchentor hinauf und durch den langen Gang zwischen den vielen Glatzen und “Faszinatoren”, wie die skurrilen Frauenhüte hierzulande heißen, dauerte lange Minuten. Hat man ihr nicht zu viel Ehrung zugedacht, ihr Begräbnis nicht viel zu sehr ausgewalzt und ihre Bedeutung überhöht?

Bei diesem pompösen Akt ging es aber weniger um Margaret Thatcher als um ihre politischen Erben: “We are all Thatcheristes now!”, sagte Cameron im “Today”-Interview von Radio 4 und konnte außer dieser Platitüde kaum weiterführenden Inhalt bieten. Sind die enormen Kosten der Zeremonie - auf das eigentlich nur Staatsoberhäupter Anspruch haben - ein Verfassungsbruch? “Diese Ehrung ist ein passender Tribut für ihre Leistungen, auch ihre Gegner sollten der alten Dame Respekt zollen. Sie war schließlich die erste Frau in diesem Amt”, setzte Cameron noch affirmativ hinzu. Seit ihrem Tod vor neun Tagen bemüht er sich verzweifelt, sich als ihr legitimer politischer Erbe zu präsentieren.

Mit wenig Erfolg. Es klingt hohl, wenn David Cameron der “ersten Premierministerin” gedenkt. Feministischen Fervor hat man an ihm bisher nicht entdeckt. Das hat er allerdings mit Thatcher gemein, die lieber schon vor 40 Jahren tot umgefallen wäre als sich Feministin schimpfen zu lassen. Obwohl sie uns schon früh vorgeführt hat, wie man Karriere und Kinder vereint.

Für die einen war Thatcher eine mitleidslose Furie, für die anderen eine durchsetzungsfähige Reformerin. Die Frau hat zwar in den Achtzigerjahren die Macht der Gewerkschaften erfolgreich gebrochen, damit Großbritannien aber auch an den Rand des Bürgerkriegs getrieben. Cameron hat nichts von ihrer Kraft geerbt. Nach knapp drei Jahren im Amt hat er immer noch keine politische Vision. Von Erfolgen nicht zu reden – Großbritannien grundelt am Rande einer “Triple-dip”-Rezession entlang.

Neben dem Premierminister strampelt sich derzeit auch Camerons Konkurrent Boris Johnson damit ab, Thatchers Erbe für sich zu beanspruchen. Londons rüpeliger Bürgermeister teilt mit der Eisernen Lady aber vor allem eines: die Rücksichtslosigkeit in der Verfolgung eigener Interessen. “Der Thatcherismus ist nicht reif fürs Museum”, behauptete der Bürgermeister in einem Kommentar im “Daily Telegraph” diese Woche: “Die Baroness würde ihren fantastischen Willen dafür einsetzen, diesem Land die Luftkapazitäten zu geben, die es braucht.”

Will sagen: Thatcher hätte den Flughafen Heathrow längst ausgebaut – egal, ob Umweltschützern und Anrainern dabei die Haare zu Berge stehen.

Sowohl Boris Johnson, der Lokalpolitiker, wie David Cameron, der visionslose Premierminister, zeigten diese Woche, dass die Fußstapfen von Lady Thatcher für sie viel zu groß sind. Die durchschnittlich begabten Tories von heute werden auch in Zukunft versuchen, aus ihrem Vermächtnis politisches Kapital zu schlagen. Das allerdings hätte der streitbaren Frau gut gefallen. Sie hatte sowieso nicht vor, in Frieden zu ruhen.

Hier ein Link: 31 % der Briten glauben, Margaret Thatcher wäre die beste Premierministerin, um Großbritannien aus der  Wirtschaftskrise zu führen - und nur 13 % glauben, Cameron könne das auch:

http://www.ipsos-mori.com/researchpublications/researcharchive/3160/Margaret-Thatcher-Poll-April-2013.aspx?view=print

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© 2018 Tessa Szyszkowitz