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Brot oder Patriot

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So, die Herbstkonferenzen der britischen Parteien liegen hinter uns und was haben wir gelernt: David Cameron weiß nicht, was ein Laib Brot kostet. Der konservative Premierminister hat schon vor einem halben Jahr beim Preis von Milch gepatzt und jetzt das. Entweder lernt er nicht aus seinen Fehlern oder er ist so “posh”, dass es ihm eigentlich ganz recht ist, wenn die Leute mibekommen, dass er keine Ahnung hat, was Brot im Billigsupermarkt Tesco kostet.

Ich persönlich finde ja, dass Staatenlenker nicht unbedingt wissen müssen, was Brot kostet. Wenn David Cameron statt einkaufen gehen gut regierte, würde ich ihm die Brotpreisignoranz verzeihen. Bei Cameron aber: Doppelnein. Er ist in keiner Hinsicht eine gute Hausfrau in Downing Street 10. Derzeit leben elf Millionen Briten unter der Armutsgrenze. Innerhalb eines Jahres hat sich die Zahl jener verdreifacht, die bei “food banks” umsonst eine Dreitagesration Essen beziehen können. Man kann sich vorstellen, dass diese Bürger es absolut nicht witzig fanden, als Cameron im Radiointeview sich aus der Brotaffäre zu ziehen versuchte, indem er damit angab, dass er und seine Frau ihr Brot eben selber backen.

Cameron-Herausforderer Ed Miliband dagegen reitet seit Tagen eine richtige Symphatiewelle. Das ist der Labour-Führer nicht gewohnt – er ist zwar ein seriöser Mensch, aber katastrophal uncharismatisch. Doch jetzt hat sich die “Daily Mail”, Britanniens böses Boulevardblatt, ein Eigentor geschossen. Um die Massen beim konservativen Parteitag richtig in Stimmung zu bringen, brachte sie einen Artikel über Eds Vater Ralph Miliband mit dem Titel: “Der Mann, der Großbritannien hasste”. Verwegen wurde darin aus gesellschaftsrelevanter Kritik, die der marxistische Professor gegenüber seiner neuen Heimat vorgebracht hatte, ein Vaterlandsverrat gezimmert. Sohn Ed forderte empört eine Entschuldigung. Sein Vater sei vor den Nazis nach England geflohen und hätte sich Zeit seines Lebens hier sehr wohl gefühlt. Er hat sogar in der britischen Marine gegen die Nazis gekämpft. Und der linke Theoretiker hat seine Söhne derart patriotisch beeinflusst, dass der eine – David - später britischer Außenminister und der andere – Ed - Labour-Partei-Chef wurde.

Der Chefredakteur des Sudelblattes, Paul Dacre, verweigerte eine Entschuldigung. Ein großer Fehler. Denn Ralph Miliband war zwar ein kontroversieller, aber hoch verehrter Denker und ein wichtiges Mitglied der “New Left”, die in den Sechzigerjahren dem stalinistischen Sowjetkommunismus längst Byebye gesagt hatte.

Zum ersten Mal seit seiner Wahl zum Labour-Chef vor drei Jahren wirkt Eds Empörung glaubhaft. Diesmal zieht auch sein Bruder David am gleichen Strang. Ed hat ihm vor drei Jahren den Posten als Labour-Chef praktisch geklaut, was David nicht so leicht verdaut hat. Er managt inzwischen die mächtige wohltätige Vereinigung “International Rescue Committee” in Amerika – und von dort tweetet er jetzt gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder um die Familienehre: “Unser Vater liebte Großbritannien.

Selbst Tories springen Red Ed zur Seite. Lord Moore, einst Mitglied von Margareth Thatchers Kabinett, zieh die “Daily Mail” schlicht der Lüge. Hinterbänkler Zac Goldsmith attackiert die “Daily Mail” als hypokritisch - deren damaliger Besitzer Harold Harmsworth hatte zu Kriegszeiten als Hitler-Fan Furore gemacht. Er hatte Hitler als “übermenschlich” beschrieben. Die “Daily Mail” wird sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass sie ausgerechnet eine assimilitierte jüdische Familie des Vaterlandsverrats bezichtigt. Das ist übel. Kommentator Mehdi Hasan läßt daran keinen Zweifel: http://www.huffingtonpost.co.uk/2013/10/03/mehdi-hasan-bbc-question-time-daily-mail_n_4039900.html?utm_hp_ref=uk

Ed Miliband hat noch nie so ehrlich empört ausgesehen. Die "Daily Mail" hat  diese Woche sogar eine Reporterin zu einem privaten Familienbegräbnis geschickt, um dort Verwandte zu Stellungnahmen zu bewegen. Deshalb verdient er auch den “Politiker der Woche”.

Das lustigste Element bei all dem ist die Hashtag-Kampagne, an der sich jeder beteiligen kann. Firmen, die bisher in der “Daily Mail” inseriert haben, werden dazu aufgefordert, dies nicht mehr zu tun. Na, das versuchen wir doch mal gleich: http://politicalscrapbook.net/virals/daily-mail-boycott/

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© 2018 Tessa Szyszkowitz