UKIP ist nicht bloß eine populistische euroskeptische Partei. Sie steht viel weiter rechts als die Briten sich eingestehen.
Ist UKIP moderater als Marine Le Pens “Front National”? Nigel Farage sagt: Ja! Der Vorsitzende der “United Kingdom Independence Party” will nichts mit der rechtsextremen Französin zu tun haben. Die meisten Briten sehen das ähnlich, UKIP gilt als europaskeptisch, aber nicht rechtsradikal. Es ist offenbar zu schmerzhaft, der Wahrheit ins Auge zu sehen.
Es tut mir leid, aber das kann nicht mehr so weitergehen.
Ein genauer Blick auf das Programm von UKIP und auf seine gewählten Repräsentanten macht deutlich: UKIP ist nicht bloß eine europaskeptische rechtspopulistische Protestpartei. UKIP ist eine tief xenophobe Partei mit vielen extremen Elementen, die Hass gegen Europa und gegen Einwanderer sät. Seit UKIP 28 Prozent der Stimmen bei den EU-Wahlen 2014 bekommen hat, ist Feuer am Dach. Oder, siehe Foto, Graffiti an der Mauer: “UKIP - Borderline Racists” steht in Shoreditch im Londoner Osten auf einer Hauswand.
Der “Guardian” hat gerade eine Umfrage publiziert, wonach 30 Prozent der Briten zugeben, dass sie rassistische Gefühle hegen. Unter den Managern ist die Quote mit 26% niedriger, unter den Hilfsarbeitern mit 41% höher. Die Daten stammen aus einer BSA-Umfrage, die von “NatCen Social Research” durchgeführt wurde und erst nächsten Monat offiziell publiziert wird.
Der Wahlsieg der UKIP war keine Überraschung. Die Umfragen hatten es vorrausgesagt. Erstaunlich ist nur, wie wenig die hetzerische Politik dafür verantwortlich gemacht wurde. UKIP gilt als Protestpartei gegen Brüssel. Dabei steht im Wahlmanifest für die Lokalwahlen alles drin, was man wissen muss: “Immigration muss kontrolliert werden, um den Druck auf unser Gesundheits- und Erziehungssystem zu senken und sozialen Wohnbau und Wohlfahrt nicht zu gefährden”, “Lokalabgaben sollten so niedrig wie möglich sein”, und “Geld sollte für lokale Dienste ausgegeben werden und nicht für Kriege im Ausland”. UKIP führt nicht nur eine wütende Kampagne für den Austritt aus der EU. UKIP stellt auch die Erderwärmung in Frage und würde Windparks lieber verbieten.
Das geschriebene Manifest klingt im Vergleich mit dem gesprochenen Wort noch vernünftig. Kaum gewählt geiferte der frischgebackene Gemeinderat Dave Small auf Facebook gegen Schwule als “Perverse” und nannte rumänische Immigranten “Schnorrer”. Small wurde ein Disziplinarverfahren angehängt. Sein rassistischer, homophober Ausfall aber ist bei weitem keine Ausnahme.
Er ist eher der Regelfall. Roger Helmer, der gerade wieder ins Europäische Parlament gewählt wurde, sagte der “Sun”, es sei wohl moralisch akzeptabler, Heterosexualität zu bevorzugen als Homosexualität: “Sie können mir sagen, das Sie Earl Grey Tee nicht ausstehen können. Das ist vielleicht eine Minderheitenmeinung. Doch es ist Geschmacksache, ob Sie ihn mögen oder nicht.” UKIP-Mitglid Ken Chapman bezeichnete einen Schwarzen als “Zulu”. Laut “Daily Mirror” schlug er auf Twitter vor, der Islam sollte “ausgelöscht” werden. UKIP-Gemeinderat Robert Brown bezeichnete Islam und Moslems als “böse” und forderte sie auf, zum Christentum zu konvertieren. UKIP-Kandidat Joseph Qirk postete Antisemitisches, seiner Meinung nach hätten jüdische Banker Hitler finanziert. Auch sexistische Bemerkungen sind unter UKIP-Leuten en vogue. Austin Lucas, der für UKIP in Liverpool kandidierte, fand es gut, dass russische Kossaken die Mitglieder der Kunstgruppe “Pussy Riot” mit Pferdepeitschen schlugen: “Können wir bitte ein paar Kossaken importieren, um unsere Stadtzentren zu säubern?”
Es gibt viel Hass auf den Straßen Großbritanniens. Und ein großer Teil hat sich in Stimmen für UKIP manifestiert. “Meine Partei hat sich in Frankenstein verwandelt”, stellt Alan Sked fest, der UKIP 1993 gegründet hat. Sked unterrichtet an der “London School of Economics”. Bei einem Interview mit dem “Guardian” zeigt er das erste Mitgliedsformular her, auf dem es heisst: “Die Partei ist eine nicht-konfessionelle, nicht-rassistische Partei ohne Vorurteile gegen Ausländer oder gesetzliche Minderheiten jeglicher Art.”
Das hat sich geändert. Nigel Farage himself sind xenophobe Ressentiments nicht fremd. In einem Radiointerview gab er unlängst freimütig zu, er fühlte sich “ungemütlich” bei dem Gedanken, rumänische Nachbarn zu haben.
Simon Hix von der “London School of Economics” hat den fruchtbaren englischen Boden für UKIP genau untersucht: 1) Die urbane Unterschicht hatte früher Sympathien für die “British National Party “ (BNP), seit deren Kollaps hat UKIP den rechten Rand aufgesaugt. 2) Die ländliche Mittelschicht hat früher die konservativen Tories gewählt, fühlt sich aber von den “posh boys” David Cameron und George Osborne nicht vertreten. 3) Bauarbeiter und Saisonarbeiter in der Landwirtschaft, die mit engagierten EU-Einwanderern um Jobs kämpfen, gingen von Margaret Thatcher über Tony Blair zu UKIP.
Was heißt der Wahlsieg der UKIP bei Lokal- und EU-Wahlen für die nationalen Wahlen nächstes Jahr? In Zahlen? Wahrscheinlich gar nichts, meint Patrick Dunleavy von der LSE: “UKIP erobert wahrscheinlich keinen einzigen Sitz.” Obowhl UKIP um die 15 Prozent der Stimmen bekommt, wird jeweils nur der stärkste Kandidat dank des britischen Wahlrechts (“First-past-the-post”) ins “House of Commons” geschickt. Selbst Nigel Farage hat keinen sicheren Sitz.
Doch auch wenn wegen des Wahlsystems die kleinen Parteien nicht ins Parlament vordringen - UKIP-Politiker wissen, dass sie ein Drittel der Bevölkerung hinter sich wissen, wenn sie gegen Einwanderer hetzen. Dies Tatsache sollte allen Briten schlaflose Nächte bereiten.