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Vergast wird hier nicht mehr

Wir brauchen eine antirassistische Koalition in Europa. Im Nahen Osten auch.
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In Berlin rief ein Sprechchor bei einer Demonstration gegen den Krieg in Gaza: “Israel vergasen!” Wem fällt so etwas ein? Wer glaubt, dass man Kritik an Israels Regierungspolitik mit antisemitischer Hetze verbinden darf, der irrt. Wir brauchen eine antirassistische Koalition in Europa, die klarstellt: Es ist nicht ok, Juden zu verteufeln.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass dies in Deutschland geschieht. Die deutsche Regierung ist wohl die israelfreundlichste in Europa. Das liegt nicht nur an der historischen Verantwortung für die Shoah, die es der offiziellen Politik erschwert, Israel offen zu kritisieren. In Deutschland hat die Aufarbeitung der Geschichte des Zweiten Weltkriegs tatsächlich dazu geführt, dass Antisemitismus nicht mehr salonfähig ist.

Leider haben das noch nicht alle verstanden. Die randalierende türkischstämmige und nahöstliche Jugend in deutschen Städten – und jüngst auch auf einem österreichischen Fußballfeld - ist ein Problem geworden, es wird nicht leicht sein, sie und ihre aggressiven Slogans wieder von der Straße runterzubekommen. In Frankreich und Belgien sind die Ausschreitungen noch schlimmer. Dort hatte sich schon während der Zweiten Intifada zur Jahrtausendwende gezeigt, dass die Integration vieler moslemischer Einwanderer aus dem Maghreb schlecht funktionierte. In ganz Europa ist der Einsatz der jeweiligen Regierungen zur Integration dieser Jugendlichen besonders notwendig geworden. Nicht nur zum Schutz der jüdischen Bevölkerung. Es ist wichtig für die Gesellschaft insgesamt, dass klargestellt wird: Rassismus jeglicher Art gehört nicht zum europäischen Grundkonsens.

Kann man sich vorstellen, dass Moslems, Juden und der Rest Europas heute gemeinsam für ein Recht aller demonstrieren, in Frieden und Sicherheit zu leben? Im momentanen aufgeheizten Klima gegenseitiger Anschuldigungen ist es schwer davon auch nur zu träumen.

Über 80 Prozent der israelischen Bevölkerung unterstützen die Regierung heute beim Krieg gegen Gaza, damit Israel nicht mit Raketen beschossen wird. Natürlich hat ein Land das Recht auf Selbstverteidigung, wenn es angegriffen wird. Doch die politisch Verantwortlichen müssten über die unmittelbare Logik von Schuss und Gegenschuss hinaussehen. Israel sollte mit den Palästinensern eine Zwei-Staaten-Lösung aushandeln. Dafür haben Fatah und Hamas Anfang Juni eine nationale Einheitsregierung vereinbart. Damit Präsident Mahmoud Abbas für alle Palästinenser sprechen kann.

Kann man denn mit Hamas ausgerechnet jetzt verhandeln, wo sie Raketen auf israelische Zivilisten schießt? Ja, indirekt über die nationale Einheitsregierung. Denn Gaza und Westbank brauchen offene Grenzen, um überhaupt eine Chance zu haben, ein Staatswesen aufzubauen, mit dem Israel kooperieren kann. Wenn die Gebiete von der Welt abgesperrt bleiben und Israel alle Grenzen kontrolliert, dann werden die Palästinenser nicht moderater, sondern immer ärmer, radikaler und militanter werden. Sie werden weiter Tunnel graben und Raketen schießen.

Israel auf der anderen Seite zieht sich ebenfalls immer tiefer in eine Festung aus Mauer und Raketenabwehr zurück - auch mental, in dem immer rechtere Regierungen gewählt werden, die immer rassistischere und gewalttätigere Politik gut heißen.

Es würde helfen, den antisemitischen Randalierern den Wind aus den Segeln zu nehmen, wenn Israel die Siedlungspolitik aufgäbe. Und wenn die Palästinenser sich von radikalen politischen Kräften wie der Hamas abwendeten. In Europa können wir uns derweil darum kümmern, dass klargestellt wird, dass niemand für die verfehlte Politik der israelischen Regierungen die Juden auf der ganzen Welt verantwortlich machen darf. Dass auch niemand alle Muslime verteufelt, weil islamistische Extremisten Hamas oder das Kalifat IS unterstützen.

Deshalb brauchen wir eine Antirassistische Internationale – in Europa und im Nahen Osten. Kritik an Regierungen und an extremistischen Bewegungen muss erlaubt sein, rassistische Verallgemeinerungen aber nicht. Wir müssen gemeinsam für das Recht aller demonstrieren, in Frieden und Sicherheit leben zu können. Wer „Israel vergasen“ will, macht sich schuldig, Geschichte und Gegenwart nicht verstanden zu haben. Von einer zukünftigen Lösung des Nahost-Konfliktes gar nicht zu reden.

Bleiben Sie auf dem Laufenden!

© 2018 Tessa Szyszkowitz