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Morden unter Männern

„The James Plays“ werden nicht ganz zufällig knapp vor dem Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands beim Edinburgh Festival zur Aufführung gebracht. Die Königsdrama-Trilogie kommt demnächst nach London.

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Oben auf den Bühnenstiegen steht er, James I., und blickt auf seine Subjekte. „Schottland wird dann klein sein - aber es wird ganz sein.“ Darauf werfen sich die Clan-Ältesten und ihre Söhne dem neuen König zu Füßen. Im Publikum wird man den Verdacht nicht los, dass der Schauspieler nicht nur zu seinen Kollegen spricht - er meint den ganzen Saal. In der Pause vom ersten Teil der „James Plays“ sagt eine junge Schottin: „Ich wußte ja schon vorher, dass ich mit Ja! stimmen wollte. Der Königsmonolog hat mich noch mehr davon überzeugt.“

Die „James Plays“, beim Edinburgh International Festival 2014 uraufgeführt, kommen zur rechten Zeit: Am 18. September stimmen die Schotten in einem Referendum über ihre Unabhängigkeit ab. Wenn mehr als die Hälfte Ja! sagen, dann verlässt Schottland Großbritannien und wird ein unabhängiger Staat. Um dieses bedeutungsschwangere Datum im Theater zu nutzen, hat das National Theatre of Scotland die schottische Dramatikerin und Historikern Rona Munro gebeten, eine historische Dramentrilogie zu schaffen, die sich mit dem Haus Stewart im 15. Jahrhundert beschäftigt.

Im ersten Teil „The Key will keep the Lock“ (etwa: „Der Schlüssel hält das Schloss zusammen“) wird James I. nach achtzehn Jahren Gefangenschaft in England 1424 auf den schottischen Thron befördert - nur um dort ein wahrer schottischer König zu werden. Grausame Regierungsmethoden inklusive. Im zweiten Teil „Day of the Innocents“ („Tag der Unschuldigen“) quält sich sein Sohn James II. mit Kindheitstraumata ab. Immerhin wurde sein Papa von Tyrannenmördern erschlagen, da war der Prinz erst sechs. Das geht seinem Sohn James III. nicht viel anders. Wieder wird ein Kind König. Doch Schottland geht es dann gerade gut, in den 1470ties ist es zu seiner größten territorialen Ausbreitung gelangt. Nicht lange allerdings, im dritten Teil „The True Mirror“ sehen wir, wie James III., ein disziplinloser, besoffener Tyrann, sein Königreich zugrunde zu richten droht.

Für Munro war es keine leichte Aufgabe, in den riesengroßen Schuhen Shakespeares historische Königsdramen zu schaffen. Die schottische Autorin erledigt diese Aufgabe mit relativer Leichtigkeit. Sie schafft es vor allem im ersten und dritten Stück, mit moderner Sprache und dem Humor und der Geschwindigkeit des 21. Jahrhunderts den mittelalterlichen Figuren Leben einzuhauchen. Was an psychologischer Tiefe manchmal fehlt, machen die schwungvollen und erstklassigen Schauspieler fast wieder wett. Neben den drei Hauptdarstellern James McArdle, Andrew Rothney und Jamie Sives sticht Sofie Grabol aus dem hervorragenden Ensemble heraus: Der Schauspielstar aus Kopenhagen - sie hat die Hauptrolle in „The Killing“ gespielt - trägt den dritten Teil auf ihren Schultern.

Vor allem ist Rona Munro gegen Ende ganz offensichtlich die Lust vergangen, das ewigen Morden unter Männern so zu beschreiben, wie es eben war: ewiges Morden unter Männern. Also erhebt sie im dritten Teil die dänische Königin Margarete zur Hauptperson, was aus den historischen Quellen allein kaum zu rechtfertigen gewesen wäre. Munro stört sich daran nicht. Margarete kämpft um den Erhalt der Macht für ihren rücksichtslos unfähigen Ehemann in einer Art selbstquälerischen Loyalität dem Gatten gegenüber, die aber auch einen veritablen Sinn für ihre eigene Macht nicht verleugnen kann. Sie weiß, dass sie nur regieren kann, wenn sie ihren Mann als Hofclown - in der Inszenierung von Laurie Sansom ist er ein alberner Rockstar - offiziell an der Macht hält. Am Ende bietet sie, die Dänin, sich den Schotten als Königin an: „Ihr Schotten habt alles, euch fehlt nur eines: Haltung“, ruft sie im zweiten großen Monolog der „James Plays“.

So ist die Trilogie am Ende nicht einfach ein Ruf nach schottischer Unabhängigkeit. Den Schotten ist der Einfluss ausländischer Herrscher mitunter gut bekommen. Auch der Produktion der „James Plays“ selbst. Sie ist eine Koproduktion mit dem National Theatre of Great Britain in London. Hierher übersiedeln die schottischen Königsdramen in September. Das Haus ist bereits jetzt praktisch ausverkauft.

http://www.nationaltheatre.org.uk/series/the-james-plays

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© 2018 Tessa Szyszkowitz