Clint Eastwood hat einen patriotischen Western im Wilden Osten gedreht und Amerika liebt beide, Direktor wie Film.
Wissen Sie, was ein “Sandfilm” ist? Die New York Times hat mich darüber aufgeklärt, dass es sich dabei um einen Kriegsfilm handelt, der im Irak oder in Afghanistan spielt. Clint Eastwood, Hollywoods heute ältester und angesehendster Western-Macher, konnte nicht anders: 2014 wurde das Jahr seines Western, der im Wilden Osten spielt. Und seit ich am Sonntag nachmittag mit halb Amerika im Kino war, weiß ich, was das heißt.
Die 84jährige Hollywood-Legende hat alles richtig gemacht – zumindest wenn der Kartenverkauf die Richtlinie ist. Über 90 Millionen Euro hat “American Sniper” am langen Wochenende des 17. Jänner in Amerika eingespielt. Keiner der Oscar-nominierten Filme hat das bisher geschafft. Die Boxoffice-Experten sagen, der Film ziehe eben alle an: die Männer für die Kampfszenen, die Frauen wegen des Familiendramas.
“American Sniper” ist Chris Kyle, der tödlichste Scharfschütze in der Geschichte der US-Armee. Nach 9/11 zieht der ehemalige Cowboy in den Irak in den Krieg, um “sein Land zu verteidigen”. Zurück in den Staaten fragt ihn sein Therapeut, ob er etwas bereut, was er getan hat. Kyle sagt ohne zu zögern: “Oh, ich doch nicht. Wenn die Zeit kommt, werde ich vor meinem Schöpfer stehen und mich für jeden einzelnen Schuss verantworten können.”
Was also lernen wir von diesem Film? Dass Intervention nicht funktioniert und Soldaten oft traumatisiert wieder zu ihren Familien zurückkehren? Ja, kann sein. Manche nehmen wohl diese Botschaft mit. Ob im Sandsturm unter Beschuß oder beim Sturm auf Wohnzimmer mit wimmernden Kindern – so richtig wohl können sich die Soldaten bei ihrer Arbeit nicht fühlen.
Clint Eastwood aber hat hauptsächlich einen patriotischen Film gedreht, in dem die amerikanische Armee heroisch gegen das Böse in der Welt kämpft. Angesichts des brechend vollen, riesigen Kinosaales in Manhattan und zwei Stunden langen Gefechtsszenen, unterbrochen von Momenten mit der unglücklichen Ehefrau zu Hause, hatte ich so meine Zweifel, ob die Leute ins Kino strömen, um sich Gedanken über Sinn und Unsinn von Interventionen im Nahen Osten machen. Der Titel von Clint Eastwoods Alterswerk “American Sniper” suggeriert nur eines: Was Amerikaner wirklich gern mögen ist: zielen, schießen und töten.
PS: Ich bin zwar nicht die Boxoffice-Zielgruppe (Europäerin, 47, Frau), aber mir gefiel ein anderer Film, den ich im Flugzeug sah, viel besser: “A million ways to die in the West”. Auch kein intellektuell anregender Film. Aber er macht sich über alles lustig, worüber Amerikaner sich lustig machen, wenn sie über sich selbst lachen wollen. Und ein paar der seichten Dialoge kamen mir im Vergleich zu “American Sniper” wie eine tiefsinnige Erforschung der amerikanischen Seele vor. So sagt Charlize Theron zu ihrem Co-Star und Regisseur Seth MacFarlane: “Der Westen nervt ntatürlich total. Aber das Grenzland ist ja nicht dein Problem. Was du brauchst, ist bloß ein bisschen mehr Selbstvertrauen.”