Starkurator Hans-Ulrich Obrist über den diesjährigen Pavillon der Londoner Serpentine Gallery, Jogger im Hyde Park und Fundraising-Partys.
Hans-Ulrich Obrist, 46, gilt als der einflussreichste Kunstkurator der Gegenwart. Seit 2006 arbeitet der Schweizer als Ko-Direktor der Serpentine Gallery im Londoner Hyde Park. HUO, wie er sich gern nennen lässt, um Zeit zu sparen, ist ein Getriebener, permanent rund um den Globus unterwegs. Allerdings hat er sich für profil die Zeit genommen, um mit einem Regenschirm zweifelhaften Designs vor dem kürzlich eröffneten Pavillon des spanischen Architekturbüros selgascono zu posieren. Im strömenden Regen.
profil: Seit 2000 werden jedes Jahr Architekten eingeladen, den Sommerpavillon der Serpentine Gallery neu zu gestalten. Wie oft kann man diese Idee wiederholen?
Obrist: Wir sind begeisterter denn je. Zu Beginn des Projekts war es sehr wichtig, die großen Figuren der Gegenwartsarchitektur nach London zu holen. In Frankreich oder Deutschland bauten stets große internationale Architekten. In London aber gibt es keine Gebäude von Mies van der Rohe oder Walter Gropius. Meine Ko-Direktorin Julia Peyton-Jones lud dann, für den von ihr erfundenen Sommerpavillon, erstmals die Großen ein: Zaha Hadid oder Oscar Niemeyer errichteten ihre ersten Werke in Großbritannien an dieser Stelle. Frank Gehry haben wir dann gemeinsam 2008 hierher eingeladen.
profil: Inzwischen sind internationale Architekten in London sehr präsent. Wie revolutionär ist Ihr Konzept noch?
Obrist: Die Architektur kämpft mit viel Bürokratie – all diese Vorschriften! Der Pavillon dagegen – wir nennen ihn auch Gartenhäuschen – bietet sich als Spielplatz der Ideen an. Aber es stimmt: Ein neues Konzept ist notwendig. Wir entdecken gerade eine junge Generation von Architekten, etwa Smiljan Radic, Sou Fujimoto und das spanische Büro selgascano, das dieses Jahr den Pavillon-Entwurf lieferte. Und es geht heute verstärkt um Nachhaltigkeit: Jeder unserer Pavillons wird verkauft und woanders wieder aufgebaut. Dieser hier wird in Los Angeles stehen. Die Materialien sind speziell, die Konzepte ebenso. Es wird nichts weggeworfen.
profil: Es formiert sich also ein Gartenhäuschen-Jetset.
Obrist: Die Idee, dass der Pavillon auf Tournee geht, entstand aus der Notwendigkeit, ein ökologisch wertvolles, kontinuierliches Projekt zu finanzieren. Das ist wie ein Jour Fixe, ein Ritual – und zwar für die ganze Bevölkerung. Wir haben jedes Jahr eine Million Besucher in der Serpentine Gallery, 200.000 davon besichtigen den Pavillon. Der Eintritt ist frei. Kunst soll nicht nur für die da sein, die sich auskennen. Die Jogger hier im Hyde Park nutzen den Pavillon jedes Jahr auf andere Art – bei jenem des Künstlers Olafur Eliasson rannten sie etwa die Rampen hinauf und hinunter. Viele Leute kommen hierher, um Zeitung zu lesen, man muss nichts konsumieren. Damit ist der Pavillon ein demokratisches Projekt. In Amerika verlangen manche Museen 22 Dollar Eintritt. Aber so schließt man mehr als die Hälfte der Bevölkerung von der Kunst aus.
profil: Der Eintritt ist zwar gratis, aber das Eröffnungsfest war dann doch nur für Gäste der High Society zugänglich. Mit Demokratie hat das nichts zu tun.
Obrist: Die Party benötigen wir für das Fundraising. Daran kommen wir nicht vorbei. Ohne Sponsor kein freier Eintritt.