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Cheers to the Queen

Clemence Alex

Was die Untertanen in Londoner Pubs so über ihre Monarchin denken.

Text: Tessa Szyszkowitz, Fotos: Alex Schlacher

In der Speisekammer der Königin stehen drei Herren und gönnen sich erst mal einen Schluck Bier. Dann wenden sie sich ernsten Angelegenheiten zu: dem 90. Geburtstag von Königin Elizabeth II. “Sie hat einen fabelhaften Job gemacht!”, meint Nick Startup so stolz als hätte er etwas dazu beigetragen. Der 71jährige Stuart Martin kann dem nur zustimmen: “Vor allem, wenn man bedenkt, dass alle 12 Premierminister, die sie in ihrer Regentschaft beraten hat, Nichtsnutze waren.”

Die drei Untertanen stehen natürlich nicht in der echten Speisekammer der Königin, sondern im Pub des gleichen Namens. “The Queens Larder” gibt es seit über 200 Jahren am Königinnen-Platz im Londoner Bloomsbury. Das gemütliche Pub wurde nach Queen Charlotte benannt, die hier angeblich für ihren Gemahl George III. Speisen und Medikamente einlagerte. Denn George III. war geistig nicht ganz auf der Höhe und seine Charlotte von Mecklenburg versuchte ihn mit deutschen apothekarischen Kenntnissen zu behandeln. Einst nannten die Engländer ihre Pubs nach Monarchen, um ihre Loyalität auszudrücken. Bis heute gibt es viele, die die Queen im Namen haben. Profil hat sich an die Theken gestellt, um mit ihren Subjekten über Königin Elizabeth II. zu sprechen.

Stuart Martin war zwar nie in der echten königlichen Speisekammer, aber doch einmal bei der berühmten Gartenparty der Königin. Tausende Würdenträger dürfen einmal im Leben im Garten vom Buckingham-Palast Tee und Gurken-Sandwiche von königlichen Gnaden kosten. Die Queen zieht dabei wacker mit ihrer Entourage über die Kieswege. “Das fand ich schon sehr schön”, meint Herr Martin, der früher Elektrotechnik an der Universität in Leeds unterrichtet hat. Die Queen, wie sie im Volksmund seit 64 Jahren ihrer Regentschaft schlicht genannt wird, steht für ihn über allen. Wenn er es sich aussuchen könnte, ob er mit der alten Dame oder mit Prinzessin Catherine von Cambridge, der hübschen Frau von Prinz William, dinieren könnte, wen würde er wählen? “Das ist doch keine Frage, die Queen natürlich”, schnaubt der grauhaarige Monarchist: “Kate stammt aus der Mittelschicht, die hat nicht die gleiche Klasse.”

Gleich neben dem Regents Park, in dem einst die Royals Füchse jagten, steht immer noch das dazugehörige Jagdhaus. Heute ist die Gegend längst Londoner Innenstadt, aus der Labstelle für erschöpfte Aristokraten des 16. Jahrhunderts ist ein Gastro-Pub namens “Queen’s head & Artichoke” geworden. Die monarchistische Begeisterung hält sich hier in Grenzen. “Ich bin das Kind von Einwanderern”, sagt Gerard Brett, “mir ist der Geburtstag der Königin wirklich egal”. Der 36jährige IT-Berater findet es fragwürdig, dass jemand das Recht für sich in Anspruch nimmt, als königliche Hoheit behandelt zu werden: “Auf was hinauf? Blutsrecht?” Sein Kumpel Vic de la Flor glaubt, dass die Briten so lange an den Royals festhalten, weil “die Monarchie sie an eine Zeit erinnert, in der das Vereinigte Königreich groß und mächtig war”. Heute aber, zuckt er mit den Schultern, “sind die Royals doch nur noch der Schatten einer Ära”.

Allerdings einer, der zur britischen Gegenwart gehört wie das Pint im Pub nach Dienstschluss. Eine große Mehrheit der Briten lieben ihre Queen und wollen die Monarchie keinesfalls abschaffen. “Warum das so ist?”, sinniert Marketingexperte Philipp am trendy Tresen von “Queen’s head & Artichoke“: “Es ist eine Mischung aus Pragmatismus und Trägheit, unterfüttert mit der Tatsache, dass die britischen Royals zur Zeit auch nicht durch Gräßlichkeit auffallen.”

Selbst bei den Ausländern im Pub kommt da schon fast so etwas wie Neid auf. “In Frankreich haben wir keine Königin und keine Religion. Darauf waren wir immer stolz”, überlegt Clemence Guibert. Sie ist aus Marseille nach London gekommen und arbeitet im hippen Ostlondoner Islington als Kellnerin in einem Pub namens “The old queen’s head”. “Die Franzosen aber sind extrem intolerant geworden, die Stimmung ist so schlecht bei uns”, seufzt die 20jährige Studentin und zündet sich eine Zigarette an. Das darf man auch im englischen Pub nur noch draußen vor der Tür. “Hier kommen mir die Leute viel höflicher und toleranter vor. Ich weiß nicht, ob das an der Queen liegt, aber vielleicht hat sie einen guten Einfluss auf ihre Untertanen.”

Untertan? “So möchte ich bitte nicht bezeichnet werden”, sagt Will O’Donnell, der sich mit seinen Kollegen um Punkt Sechs auf ein Bier in “The old queen’s head” einfindet. Das Pub wurde nach jener Königin benannt, unter deren Herrschaft die meisten Pubs im Königreich aufsperrten: Queen Victoria. Sie regierte auch lange genug und zwar 64 Jahre von 1837 bis 1901. Ihr Konterfei hängt neben der Bar. “Ich persönlich finde den Geburtstag der Königin nur lustig, wenn sie uns zu einer Party in ihren Palast einladen würde”, scherzt der 26jährige Sozialarbeiter und wird gleich wieder ernst. Er arbeitet in einer Stiftung für autistische Kinder. “Die Royals kosten uns doch nur Geld, das andere viel dringender brauchen.”

Obwohl kaum jemand in den nach der Queen benannten Pubs die alte Dame in Rente schicken will und dafür ist, die Monarchie einfach abzuschaffen, so gibt es doch an manchem Stammtisch revolutionäre Ideen. “Wir sollten Bingo spielen!”, ruft O’Donnell. Per Lotterie soll jedes Jahr eine königliche Familie auf Zeit bestimmt werden. Der 26jährige Will ist im Nebenberuf Sänger der Band “The dirty truth”, “Die schmutzige Wahrheit”. Und die ist, dass er sich gut vorstellen könnte, den Job des Königs für eine Weile zu übernehmen. “Ich würde dann alle zu mir nach Hause in den Buckingham-Palast zur Geburtstagsparty einladen.

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© 2018 Tessa Szyszkowitz