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To nuke or not to nuke

To nuke or not to nuke

Jeremy Corbyn ist als Labour-Leader für seine Partei schon schwer verdaulich. Jetzt hat der Pazifist auch noch angekündigt, dass er keinesfalls die zur Abschreckung gedachten Atomenwaffen Großbritanniens einsetzen würde. Darf dieser Mann Premierminister werden?

Wenn ein britischer Premierminister gewählt wird, muss er erst mal vier Briefe schreiben, deren Inhalt am besten für immer geheim bleiben sollte. Jeder der vier Briefe wird auf eines der vier britischen U-Boote an der schottischen Küste gebracht, das mit Atomsprengköpfen ausgerüstet ist. Dort kommt der Brief in einen Safe. Den Brief soll der Kapitän nur in einem Fall öffnen: Wenn er keine Verbindung mehr zu seiner Regierung herstellen kann. Der Inhalt des Briefes ist zwar geheim, aber bisher durfte man annehmen, dass nach einigen einleitenden Floskeln, die britischer Höflichkeit geschuldet und der Bedeutung der Stunde angemessen sind, darin steht: „Drück auf den Knopf!“. „Nuke them!“

Mit dieser Sicherheit könnte es vorbei sein, sollte der nächste Premierminister Jeremy Corbyn heißen. Der neugewählte pazifistische Chef der Labour-Party sagte in einem Radiointerview am 30. September, er würde nie Nuklearwaffen zum Einsatz bringen. Also könnte der anti-alkoholische, fahrradfahrende Friedensaktivist auch keinen dahingehenden Brief unterzeichnen. Was aber würde er dann schreiben? „Lieber Kapitän, leider können wir uns nicht mehr unterhalten, weil ich von einer Atombombe in Westminster getroffen wurde. Du aber, der noch unversehrt vor der nunmehr menschenleeren Küste Großbritanniens kreuzt, sollst dich nicht rächen. Drücke auf keinen Fall den roten Knopf vor dir. Nie! Trink lieber noch eine Tasse Tee!“

Vielleicht schriebe Jezz das auch nicht. Denn wenn er es tatsächlich jemals nach Downing Street schaffen sollte, dann wohl nur unter großen Opfern ideologischer Natur. Der Linksaußen ist seit seiner Wahl schon bei anderen Positionen zurückgerudert: Er würde für den Verbleib in der EU stimmen und er ist auch nicht mehr für den Austritt seines Landes aus der Nato. Angeblich singt er das nächste Mal sogar mit, wenn die Honoratioren des Landes „God save the Queen“ anstimmen. EU, Nato und Monarchisten bejubeln – das scheint Corbyn noch zu schaffen, das ist der Preis der Macht. Aber Atomwaffen zünden? Das könnte für den Mann, der sein gesamtes politisches Leben damit zugebracht hat, für Abrüstung zu kämpfen, dann doch zu viel werden.

Darf aber ein Kandidat für das Amt des Premierministers einer der führenden Atomwaffen-Nationen der Welt Pazifist sein? Wird er nicht doch seinen aufrechten pazifistischen Rücken beugen müssen wie das republikanische Knie vor der Queen? Großbritannien ist an sich ein konservatives Land, vor allem im Establishment. Nach allen Postings und Medienreaktionen sieht es nicht so aus, als bekäme Corbyn im Volk große Sympathiepunkte für seine Anti-Nuke-Haltung.

Doch es gibt Handlungsspielraum. Es ist ja andernorts in Europa durchaus salonfähig anzuregen, dass man 100 Milliarden Pfund auch besser ausgeben könnte als für die jetzt geplante Aufrüstung der Trident-Atom-U-Boote. Man könnte diese Gelder sicher sehr sinnvoll in Gesundheit, Bildung, Forschung und Integration stecken. Atomwenden können sogar amtsverlängernd wirken. Angela Merkel beschloss 2011 nach der Katastrophe im Atomkraftwerk im japanischen Fukushima, 17 deutsche Atomkraftwerke vom Netz zu nehmen. Geschadet hat ihr das nicht.

An sich muss man auch nicht bis nach Berlin schauen, wenn es um Atom-Gegner geht. Nicola Sturgeon, die Schottlands Nationalisten anführt, war immer schon eine Gegnerin der Atom-U-Boote vor ihrer Küste. Wenn Jeremy Corbyn deshalb jetzt gerade nach Schottland fährt, um der komatösen schottischen Labour-Party Leben einzuhauchen, dann kann er das mit seinem Lieblingsthema wahrscheinlich sogar am Besten. Die Labour-Party ist in der Frage Trident ohnehin tief gespalten und Corbyn wird die Abstimmung darüber im Parlament freigeben müssen. Sonst würden zu viele Rebellen das machen, was er über 500 mal in seiner langen Karriere als Parlamentarier gemacht hat: gegen die Parteiführung stimmen.

Im friedliebenden, sozialen Edinburgh jedenfalls könnte seine Position hilfreich sein. Die Schotten könnten statt der SNP wieder Labour zujubeln, wenn Corbyn ruft: „Lasst uns nicht die Feinde in der Welt atomar bekämpfen. Vernichten wir lieber die Atombomben.“

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© 2018 Tessa Szyszkowitz