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Taxifahrt mit Mauer

Taxifahrt mit Mauer

http://www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.685487
http://www.btselem.org/freedom_of_movement/road_443

Autofahren ist in Israel auch nicht mehr das, was es einmal war.

Gestern nachmittag fuhr ich mit meinem 11jährigen Sohn von Jerusalem zum Flughafen in Tel Aviv. Der Taxifahrer nahm die Route 443, eine neue Autobahn, die durch die Westbankhügel führt. Man fährt aus Jerusalem heraus durch einen Checkpoint ins Westjordanland und dann wieder durch einen Checkpoint aus den palästinensischen Gebieten nach Israel hinein. Teilweise führt die Autobahn an der Trennmauer entlang, die Israel nach der Zweiten Intifada gebaut hat, um weitere Selbstmordanschläge seitens der Palästinenser zu verhindern. Die Mauer führt (mehr oder weniger) an den Grenzen von 1967 entlang.

Schweigend sahen wir aus dem Fenster auf die Betonmauer mit dem Stacheldraht oben drauf, die quer durch die Landschaft schneidet. “Warum haben die denn das gebaut?”, wunderte sich mein Sohn. “Weil die Israelis weitere Terroranschläge verhindern wollten”, sagte ich. “Warum wollen die Palästinenser denn Anschläge verüben?”, fragte er weiter. “Naja,” sagte ich, “1948…” “Mama! Nicht schon wieder eine Geschichtestunde! Sag mir einfach, warum die Palästinenser Menschen umbringen wollen!” “Weil sie keinen eigenen Staat haben”, sagte ich. “Weißt du, die Israelis haben einen Staat, die Palästinenser aber nicht, die werden von den Israelis besetzt.” “Weiß ich, weiß ich, aber die Juden brauchten doch einen Staat, nachdem was ihnen im Zweiten Weltkrieg angetan worden ist”, meinte er. “Das stimmt”, antwortete ich. “Deshalb hat auch die gesamte Westliche Welt Israel unterstützt. Aber die Palästinenser brauchen eben auch einen Staat. Die haben einen großen Teil ihrer Heimat 1948 verloren. Und den Rest 1967. Wenn die keinen Staat bekommen, dann wird es keinen Frieden geben.”

“Sind wir jetzt in den palästinensischen Gebieten?”, fragte mein Sohn. “Ja. Schau mal, du kannst sehen, dass die Dörfer arabisch sind. Manchmal haben sie ein Minarett, weil die meisten Palästinenser Moslems sind. Die Dörfer sind über lange Jahre hier gewachsen. Jedes Haus steht für sich. Oft ist das Dach nicht fertig, weil die Palästinenser für die nächste Generation wieder eine Etage aufbauen.” “Das dort, das ist dann kein arabisches Dorf?”, fragte er. “Nein, das ist eine israelische Siedlung.” Wir sehen die gleichmäßigen Häuserreihen weiter entfernt auf einem Hügel.”Ja wieso bauen die israelische Siedlungen hinter der Mauer?”, fragte er. “Israel hat das mit den Siedlungen vor der Mauer begonnen. Und heute sind so viele Siedler da, dass es der israelischen Regierung schwer fällt, nicht immer mehr Häuser für sie zu bauen”, erklärte ich.

Mein Sohn und ich blickten auf die weichen Hügel der Westbank mit ihren Olivenbäumen und kleinen Steinmauern. “Ist schon sehr schön, oder?” fragte ich ihn. “Ja”, sagte er und dachte weiter nach. “Dieser Konflikt ist leider sehr vertrackt”, meinte ich dann. Er widersprach: “Es ist nicht nur kompliziert, es macht doch auch gar keinen Sinn: Wenn man die Palästinenser raushalten will aus Israel, wieso baut man dann eine Mauer und hinter der Mauer erst recht wieder israelische Siedlungen?”

Dann kamen wir an einen Checkpoint. Eine israelische Soldatin sagte zum Fahrer: “Schalom! Ma schlomcha!?”, “Hallo, wie gehts?!” “Mezujan”, meinte der, “ausgezeichnet.””Wieso fragt sie ihn denn, wie es ihm geht?”, wunderte sich mein Sohn. “Weil sie sonst nicht beurteilen kann, ob er Jude ist oder Araber. Wenn er mit einem arabischen Akzent antwortet, dann kontrolliert sie ihn.” “Das ist rassistisch”, stellte er fest. “Ja”, sagte ich. “Die Alternative ist, dass wir hier für ein paar Stunden am Checkpoint stehen, wenn sie alle gleichermaßen kontrollieren.” “Wäre besser, wenn sie alle checken würden”, meinte er entschieden.

Zu meiner Erleichterung taten sie das nicht und wir fuhren ungehindert weiter.

Am nächsten Tag entschied die EU-Kommission, Produkte aus israelischen Siedlungen extra zu kennzeichnen. Die Richtlinien besagen, dass die EU daran interessiert ist, Gesetze und Regulierungen zu haben, die die Position der EU reflektieren, dass die israelischen Siedlungen illegal auf palästinensischem Gebiet gebaut wurden.

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu antwortete sofort mit harscher Kritik: “Die EU sollte sich schämen.” Ich konnte nicht umhin mir zu denken, dass er mal mit meinem Sohn auf Route 443 von Jerusalem zum Flughafen fahren sollte.

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© 2018 Tessa Szyszkowitz