Mitten in Trumpistan
https://www.falter.at/zeitung/20241022/mitten-in-trumpistan
Hier könnte sich die US-Wahl entscheiden: Auf Besuch im Swing State Pennsylvania Der Vorsprung von Kamala Harris schwindet. Verliert sie im Bundesstaat Pennsylvania, verliert sie wohl alles. Aber hier wollen sogar Einwanderer für Donald Trump stimmen.
Tessa Szyszkowitz Politik, FALTER 43/2024 vom 22.10.2024
"Spricht hier jemand Spanisch?“, ruft Marco Rubio – auf Spanisch – in den Saal. Der Senator von Florida weiß schon, was kommt, er ist schließlich extra deswegen aus Miami nach Allentown gekommen. In der alten Industriestadt Pennsylvanias zwei Stunden östlich von New York leben heute viele Einwanderer aus Lateinamerika. „Siiii“, geben die Leute im Foyer des Americus Hotel zurück. Ein schöner Moment, in dem alle sich angenommen und aufgenommen fühlen. Auch Marco Rubio, ein „Big Beast“ der Republikanischen Partei, stammt aus einer Familie, die Kuba für den amerikanischen Traum eingetauscht hat. Erfolgreich. Der Senator will die Latinos in Allentown stolz auf ihre Herkunft machen.
Und sie dazu bewegen, für Donald Trump zu stimmen. Am 5. November wählen die USA einen neuen Präsidenten. Oder eine neue Präsidentin. Mit der Demokratin Kamala Harris würde die erste Frau ins Weiße Haus einziehen. Amerika kann sich aber auch für einen entscheiden, der schon einmal da war: Donald Trump.
Der ehemalige Präsident, der von 2017 bis 2021 regierte, ist seit Juni 2024 ein verurteilter Krimineller. Die Geschworenen in New York befanden, er habe verschleiert, dass er einer Geliebten, dem Pornostar Stormy Daniels, Schweigegeld gezahlt hatte. Trotzdem steht jetzt die gesamte Republikanische Partei hinter ihrem Kandidaten. „Unter den wichtigsten Sponsoren sind Milliardäre wie die Unternehmer Elon Musk oder Peter Thiel. Sie unterstützen Trump, weil sie nicht von staatlichen Regulierungen behindert werden wollen. Sie interessieren sich für Kryptowährungen und KI. Sie stimmen außerdem mit Trump inhaltlich in vielem überein“, analysiert Politikwissenschaftlerin Julia Lynch von der University of Pennsylvania. Musk verlost jeden Tag eine Million Dollar unter den Unterzeichnern einer Petition, die sich an republikanische Wähler wendet. Das ist nach Ansicht von Rechtsexperten illegal. „Dann gibt es in der Republikanischen Partei auch viele traditionelle Konservative – sie sind sozial konservativ und gegen hohe Steuern. Ihnen gehen vielleicht Trumps sexistische Aussagen über Frauen und seine rassistischen Sager über Immigranten zu weit, aber er ist eben jetzt der Kandidat.“
Kamala Harris liegt laut Starprognostiker Nate Silver mit 2,8 Prozent vor dem republikanischen Herausforderer. Dieses Ergebnis ist aber nicht unbedingt entscheidend. In ihren 50 Bundesstaaten plus dem Bezirk Washington, D. C. wählen die Amerikaner und Amerikanerinnen über ein Wahlgremium, in dem 538 sogenannte „Electors“ sitzen. Wie viele Wahlpersonen es pro Bundesstaat gibt, hängt von der Größe ab, es sind aber mindestens drei. Pennsylvania mit seinen knapp 13 Millionen Menschen hat 19 Wahlpersonen. Die Partei mit den meisten Stimmen bekommt die Stimmen aller Wahlmänner und Wahlfrauen. Es braucht insgesamt 270 Stimmen, um zu gewinnen. Die meisten Staaten sind traditionell fest in der Hand einer Partei. In Kalifornien – Küstengebiet mit großen Städten – gewinnen seit 1992 die Demokraten, in Texas schon seit 1976 immer die Republikaner. Wichtig sind bei dieser Wahl deshalb jene Staaten, die in der Vergangenheit einmal so und einmal so gewählt haben. Sie sind die sogenannten Swing States.
Wie Pennsylvania. 2016 gewann Trump mit 0,7 Prozent vor Hillary Clinton. 2020 siegte Joe Biden hier mit 1,1 Prozent über Trump. Zudem hat kein anderer Swing State so viele Stimmen wie Pennsylvania. Weshalb der Staat an der Ostküste südlich von New York jetzt „Battle State Number One“ geworden ist. Laut Umfragen handelt es sich bei diesem Wahlkampf um ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Jede Stimme zählt.
Nach Allentown ist Marco Rubio nicht ganz zufällig gekommen. Die Einwanderer aus Lateinamerika stellen seit 2020 die Mehrheit in der Stadt. Im schütter besetzten Festsaal des Americus Hotel stehen nur ungefähr 100 Leute, gut die Hälfte von ihnen arbeitet für die republikanische Kampagne. An der neobarocken Hotelbar gibt es Bier zu kaufen, die Republikaner bieten gratis Kaffee und Kekse. „Unter den Latinos herrschte bisher die Meinung vor, Trump könne die Ausländer nicht leiden“, sagt die Lehrerin Sara Torres. Sie stammt aus Puerto Rico und hat deshalb automatisch die US-Staatsbürgerschaft. Aber sie will die Einwanderer aus Lateinamerika, die es schwerer haben, für Trump begeistern. Die Republikaner mit ihren konservativen Werten passten besser zu ihnen als die Demokraten: „Ich bin eine christliche Frau mit konservativen Werten.“
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Hier könnte sich die US-Wahl entscheiden: Auf Besuch im Swing State Pennsylvania Der Vorsprung von Kamala Harris schwindet. Verliert sie im Bundesstaat Pennsylvania, verliert sie wohl alles. Aber hier wollen sogar Einwanderer für Donald Trump stimmen.
Tessa Szyszkowitz Politik, FALTER 43/2024 vom 22.10.2024
"Spricht hier jemand Spanisch?“, ruft Marco Rubio – auf Spanisch – in den Saal. Der Senator von Florida weiß schon, was kommt, er ist schließlich extra deswegen aus Miami nach Allentown gekommen. In der alten Industriestadt Pennsylvanias zwei Stunden östlich von New York leben heute viele Einwanderer aus Lateinamerika. „Siiii“, geben die Leute im Foyer des Americus Hotel zurück. Ein schöner Moment, in dem alle sich angenommen und aufgenommen fühlen. Auch Marco Rubio, ein „Big Beast“ der Republikanischen Partei, stammt aus einer Familie, die Kuba für den amerikanischen Traum eingetauscht hat. Erfolgreich. Der Senator will die Latinos in Allentown stolz auf ihre Herkunft machen.
Und sie dazu bewegen, für Donald Trump zu stimmen. Am 5. November wählen die USA einen neuen Präsidenten. Oder eine neue Präsidentin. Mit der Demokratin Kamala Harris würde die erste Frau ins Weiße Haus einziehen. Amerika kann sich aber auch für einen entscheiden, der schon einmal da war: Donald Trump.
Der ehemalige Präsident, der von 2017 bis 2021 regierte, ist seit Juni 2024 ein verurteilter Krimineller. Die Geschworenen in New York befanden, er habe verschleiert, dass er einer Geliebten, dem Pornostar Stormy Daniels, Schweigegeld gezahlt hatte. Trotzdem steht jetzt die gesamte Republikanische Partei hinter ihrem Kandidaten. „Unter den wichtigsten Sponsoren sind Milliardäre wie die Unternehmer Elon Musk oder Peter Thiel. Sie unterstützen Trump, weil sie nicht von staatlichen Regulierungen behindert werden wollen. Sie interessieren sich für Kryptowährungen und KI. Sie stimmen außerdem mit Trump inhaltlich in vielem überein“, analysiert Politikwissenschaftlerin Julia Lynch von der University of Pennsylvania. Musk verlost jeden Tag eine Million Dollar unter den Unterzeichnern einer Petition, die sich an republikanische Wähler wendet. Das ist nach Ansicht von Rechtsexperten illegal. „Dann gibt es in der Republikanischen Partei auch viele traditionelle Konservative – sie sind sozial konservativ und gegen hohe Steuern. Ihnen gehen vielleicht Trumps sexistische Aussagen über Frauen und seine rassistischen Sager über Immigranten zu weit, aber er ist eben jetzt der Kandidat.“
Kamala Harris liegt laut Starprognostiker Nate Silver mit 2,8 Prozent vor dem republikanischen Herausforderer. Dieses Ergebnis ist aber nicht unbedingt entscheidend. In ihren 50 Bundesstaaten plus dem Bezirk Washington, D. C. wählen die Amerikaner und Amerikanerinnen über ein Wahlgremium, in dem 538 sogenannte „Electors“ sitzen. Wie viele Wahlpersonen es pro Bundesstaat gibt, hängt von der Größe ab, es sind aber mindestens drei. Pennsylvania mit seinen knapp 13 Millionen Menschen hat 19 Wahlpersonen. Die Partei mit den meisten Stimmen bekommt die Stimmen aller Wahlmänner und Wahlfrauen. Es braucht insgesamt 270 Stimmen, um zu gewinnen. Die meisten Staaten sind traditionell fest in der Hand einer Partei. In Kalifornien – Küstengebiet mit großen Städten – gewinnen seit 1992 die Demokraten, in Texas schon seit 1976 immer die Republikaner. Wichtig sind bei dieser Wahl deshalb jene Staaten, die in der Vergangenheit einmal so und einmal so gewählt haben. Sie sind die sogenannten Swing States.
Wie Pennsylvania. 2016 gewann Trump mit 0,7 Prozent vor Hillary Clinton. 2020 siegte Joe Biden hier mit 1,1 Prozent über Trump. Zudem hat kein anderer Swing State so viele Stimmen wie Pennsylvania. Weshalb der Staat an der Ostküste südlich von New York jetzt „Battle State Number One“ geworden ist. Laut Umfragen handelt es sich bei diesem Wahlkampf um ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Jede Stimme zählt.
Nach Allentown ist Marco Rubio nicht ganz zufällig gekommen. Die Einwanderer aus Lateinamerika stellen seit 2020 die Mehrheit in der Stadt. Im schütter besetzten Festsaal des Americus Hotel stehen nur ungefähr 100 Leute, gut die Hälfte von ihnen arbeitet für die republikanische Kampagne. An der neobarocken Hotelbar gibt es Bier zu kaufen, die Republikaner bieten gratis Kaffee und Kekse. „Unter den Latinos herrschte bisher die Meinung vor, Trump könne die Ausländer nicht leiden“, sagt die Lehrerin Sara Torres. Sie stammt aus Puerto Rico und hat deshalb automatisch die US-Staatsbürgerschaft. Aber sie will die Einwanderer aus Lateinamerika, die es schwerer haben, für Trump begeistern. Die Republikaner mit ihren konservativen Werten passten besser zu ihnen als die Demokraten: „Ich bin eine christliche Frau mit konservativen Werten.“
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