Wie Hamas meine Kinder zu Israelis machte
https://www.falter.at/zeitung/20240220/wie-hamas-meine-kinder-zu-israelis-machte
Der 7. Oktober verändert uns. Über Identität und Krieg
TESSA SZYSZKOWITZ
FEUILLETON, FALTER 8/2024 VOM 20.02.2024
1. Wie wir sind
Rashid Khalidis Buch liegt bei meiner Tochter auf dem Sofa, als ich in Brooklyn eintreffe. „The Hundred Year’s War on Palestine“ heißt es, es wird im April auch auf Deutsch erscheinen. Emma liest es mit ihren Freunden in ihrer Buchgruppe. Seit dem 7. Oktober wollen sie mehr dazu wissen, wie es zu einer derartigen Katastrophe wie dem Massaker der Hamas an israelischen Zivilisten und dem darauffolgenden Krieg Israels gegen die Palästinenser in Gaza kommen konnte. Der in Amerika geborene palästinensische Intellektuelle Rashid Khalidi hat den palästinensischen Nationalismus von Grund auf studiert. Ich habe seine ersten Bücher im gleichen Alter gelesen, in dem Emma jetzt ist. Mitte zwanzig.
Der 7. Oktober ist eine Zäsur. Seit dem Holocaust sind nicht so viele Jüdinnen und Juden auf einen Schlag ermordet worden. In Israel und in der ganzen Welt führt das Pogrom der Hamas gegen Israelis unter der jüdischen Bevölkerung zu einer Re-Traumatisierung. Wenn das in Israel passieren kann, dann ist keine Jüdin, kein Jude mehr sicher auf der Welt. Nicht nur die rechtsextreme israelische Regierung ist der Meinung, man müsse die Hamas jetzt „auslöschen“. Unser jüdischer Freundeskreis in Israel, in Amerika und in Europa spaltet sich über diese Frage. Israel muss reagieren, das ist klar. Ein Teil unterstützt den Krieg in Gaza. Ich gehöre zu denen, die es für eine fatale Fehleinschätzung halten, dass man eine politische Bewegung, die so tief verwurzelt ist wie Hamas in Gaza, vernichten kann. Vor allem nicht mit einem Krieg, der auf dem Rücken einer Zivilbevölkerung von über zwei Millionen Menschen ausgetragen wird.
3939 Wörter 19 Minuten
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