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Warum sich ziviler Widerstand auszahlt

Warum sich ziviler Widerstand auszahlt

https://www.falter.at/zeitung/20230315/warum-sich-ziviler-widerstand-auszahlt/_5d93717239

Auf den Straßen von Tiflis wurde vorige von tausenden Georgierinnen und Georgiern gegen ein Gesetz demonstriert, das NGOs mit 20 Prozent Spenden aus dem Ausland als „ausländische Agenten“ abstempeln sollte. Was wie die Kopie eines putinistischen Gesetzes zur Kontrolle der Zivilgesellschaft aussah, war genau das auch. Mitten im Protest trug einer ein Plakat: „Ich bin dem gleichen Gesetz in Russland entkommen. KÄMPFT!“ 

Gesagt, getan. Tagelang lieferten sich Demonstrierende und Regierende Straßenschlachten, die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein. Aus der georgischen Hauptstadt drangen bedrohliche Videos in die Welt. Über hundert Protestierer wurden festgenommen. Dann passierte etwas Erstaunliches: Die Regierungspartei „Georgischer Traum“ gab einfach nach. Am Freitag früh stimmte das Parlament gegen das Gesetz. Und das Innenministerium verlautbarte, alle 133 inhaftierten Demonstranten werden freigelassen. 

Ziviler, friedlicher Widerstand zahlt sich manchmal eben doch aus. Auch in Tel Aviv braut sich etwas zusammen. Am Samstag Abend gingen wieder zwischen 150.000 und 250.000 Israelis und Israelinnen gegen die Pläne ihrer Rechtsregierung auf die Straße, mit einer Justizreform die demokratischen Strukturen zu schwächen. Noch hat Regierungschef Netanjahu nicht nachgegeben. Aber so leicht kann er sich über diesen friedlichen und wachsenden Widerstand der Zivilgesellschaft nicht mehr hinwegsetzen. 

Ebenfalls spannend ist der explosive Konflikt rund um ein neues Einwanderungsgesetz in Großbritannien. Seit Fußballmoderator Gary Lineker getweetet hatte, es erinnere ihn an die 30er Jahre in Deutschland, geht es rund. Von der BBC-Führung wurde er als Präsentator von „Match oft he Day“ erst mal abgesetzt, aber das ließen sich die Fußballer-Kollegen nicht bieten und verschwanden allesamt in Solidarität von den Bildschirmen. Das Match ist noch nicht entschieden, aber eines ist klar: Die konservative Regierung hat sich ein Eigentor geschossen. Alle wissen jetzt, dass nach dem geplanten Gesetz sogar Kinder nach Ankunft auf der britischen Insel eingesperrt und ohne Rücksprache mit Verwandten deportiert werden könnten. Allen ist klar geworden, dass die „Illegal Migration Bill“ gegen das internationale Völkerrecht verstoßen könnte. Und dass die konservative Regierung gerne Druck auf die BBC ausübt, wenn ihr Meinungen von Präsentatoren nicht gefallen. Dass Lineker Ex-Fußballer und kein Journalist ist, macht die ganze Affäre noch absurder. 

Für alle gilt: Ziviler Widerstand gegen Regierungen kann sich auszahlen. Vor allem, wenn ein Exfußballer mit fünf Millionen Twitter-Followern das Spielfeld betritt. Was aber auch klar ist: Ein Etappensieg ist oft nur eine kurze Atempause. Und es geht nur dort, wo es demokratischen Strukturen gibt, die wieder gestärkt werden können. 

Georgien zeigt das sehr gut. Nach dem Ende der Sowjetunion gab es einen wackeligen, aber ernsthaften Versuch, sich demokratisch zu entwickeln. 2004 brachte die Rosenrevolution eine pro-westliche Regierung an die Macht. Bereits 2008 strengte Putins Russland gegen diesen Trend einen Kurzkrieg gegen Georgien an, der damit endete, dass  ...

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© 2018 Tessa Szyszkowitz