Was vom Brexit bleibt
https://www.cicero.de/aussenpolitik/grossbritannien-brexit-eu-boris-johnson-liz-truss
Am 31. Januar 2020 sind die Briten offiziell aus der EU ausgetreten. Drei Jahre später machen sich die dramatischen Folgen deutlich bemerkbar. Von der anfänglichen Euphorie ist wenig geblieben.
VON TESSA SZYSZKOWITZ am 31. Januar 2023
Am 31. Januar 2020 um 23 Uhr war es soweit: Das Vereinigte Königreich trat offiziell aus der EU aus. Downing Street war in den Farben des Union Jack angestrahlt, eine Uhr wurde auf die Fassade des Regierungssitzes projiziert, überzeugte Brexit-Fans wie Nigel Farage, einen „Happy Brexit Day“-Anstecker am Revers, versammelten sich auf dem Parlamentsplatz und fieberten beim Countdown mit.
Boris Johnson aber mischte sich nicht unter jene, die sich seinem Brexitprojekt mit Herz und Seele verschrieben hatten. Der Premierminister ließ hinter der verschlossenen Tür von Downing Street 10 seinem Team englischen Spritzwein servieren. Ganz so, als wollte er nicht triumphieren. Oder als hätte er bereits erkannt, dass der Brexit in Wirklichkeit kein Grund zum Feiern war.
Es ist nicht ganz einfach, im modernen politischen Leben Mythen zu erzeugen. Das Politgeschäft ist eher der Bewältigung von Krisen gewidmet als einer neuen Erzählung, die Hoffnung und Stärke gibt. Doch Boris Johnson hatte dies mit dem Brexit zwischen 2016 und 2020 zum Erstaunen der rationalen Kräfte auf den britischen Inseln geschafft. „Viele fühlen jetzt noch Angst oder Verlust“, sagte er in einer Videoansprache an jenem Abend vor drei Jahren. Er wusste, er stand einem gespaltenen Land vor. Aber seine Landsleute müssten sich nicht sorgen, denn der Austritt aus der EU würde eine Wiedergeburt der britischen „Kraft zu unabhängigem Denken und Handeln“ bringen.
Brexit-Mythos zerplatzt
Drei Jahre später ist der Mythos wie eine Seifenblase zerplatzt. Der Brexit hat weder Global Britain erschaffen noch den Briten die Kontrolle über ihre Grenzen und Gesetze gebracht. Das Vereinigte Königreich schleppt sich von einer Krise in die nächste. Die konservative Partei ist kaputt, die Wirtschaft schwächelt, die Reputation Britanniens als stabile Demokratie beschädigt. Politisch, wirtschaftlich, sozial – der Brexit hat sich in keiner Kategorie als Erfolg erwiesen. Und Boris Johnson ist längst nicht mehr Regierungschef.
Die eigenen Gefolgsleute stürzten den ehemaligen Volkstribun Anfang Juli 2022, weil er in multiplen Skandalen um Korruption und Unehrlichkeit die Glaubwürdigkeit bei der Wählerschaft verloren hatte. Seinen Nachfolgern geht es kaum besser. Erst fuhr Liz Truss mit ihren Vorschlägen zu einer radikalen Finanzpolitik die britische Wirtschaft an die Wand. Seit Oktober müht sich der etwas weniger erratische, aber durchaus konservative Rishi Sunak, Land und Partei wieder in etwas ruhigere Gewässer zu führen. Das ist nicht leicht zu bewerkstelligen.
Denn die Talentmasse der konservativen Partei wurde durch den Brexitprozess extrem ausgedünnt. Moderate und proeuropäische Politiker wurden aus der Partei gedrängt oder ins politische Exil verfrachtet. Übrig blieben Tories, die für ihre Loyalität zum Projekt Brexit mit Ministerposten belohnt wurden. Das Resultat: Am Sonntag musste Rishi Sunak schon wieder einen hohen Politiker wegen unwürdigen Benehmens feuern. Der Parteivorsitzende Nadhim Zahawi hatte Steuernachzahlungen zu verheimlichen versucht. Zum Brexit-Jahrestag publiziert die Webseite „Conservative Home“ eine niederschmetternde Umfrage für das Regierungskabinett: ....
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Am 31. Januar 2020 sind die Briten offiziell aus der EU ausgetreten. Drei Jahre später machen sich die dramatischen Folgen deutlich bemerkbar. Von der anfänglichen Euphorie ist wenig geblieben.
VON TESSA SZYSZKOWITZ am 31. Januar 2023
Am 31. Januar 2020 um 23 Uhr war es soweit: Das Vereinigte Königreich trat offiziell aus der EU aus. Downing Street war in den Farben des Union Jack angestrahlt, eine Uhr wurde auf die Fassade des Regierungssitzes projiziert, überzeugte Brexit-Fans wie Nigel Farage, einen „Happy Brexit Day“-Anstecker am Revers, versammelten sich auf dem Parlamentsplatz und fieberten beim Countdown mit.
Boris Johnson aber mischte sich nicht unter jene, die sich seinem Brexitprojekt mit Herz und Seele verschrieben hatten. Der Premierminister ließ hinter der verschlossenen Tür von Downing Street 10 seinem Team englischen Spritzwein servieren. Ganz so, als wollte er nicht triumphieren. Oder als hätte er bereits erkannt, dass der Brexit in Wirklichkeit kein Grund zum Feiern war.
Es ist nicht ganz einfach, im modernen politischen Leben Mythen zu erzeugen. Das Politgeschäft ist eher der Bewältigung von Krisen gewidmet als einer neuen Erzählung, die Hoffnung und Stärke gibt. Doch Boris Johnson hatte dies mit dem Brexit zwischen 2016 und 2020 zum Erstaunen der rationalen Kräfte auf den britischen Inseln geschafft. „Viele fühlen jetzt noch Angst oder Verlust“, sagte er in einer Videoansprache an jenem Abend vor drei Jahren. Er wusste, er stand einem gespaltenen Land vor. Aber seine Landsleute müssten sich nicht sorgen, denn der Austritt aus der EU würde eine Wiedergeburt der britischen „Kraft zu unabhängigem Denken und Handeln“ bringen.
Brexit-Mythos zerplatzt
Drei Jahre später ist der Mythos wie eine Seifenblase zerplatzt. Der Brexit hat weder Global Britain erschaffen noch den Briten die Kontrolle über ihre Grenzen und Gesetze gebracht. Das Vereinigte Königreich schleppt sich von einer Krise in die nächste. Die konservative Partei ist kaputt, die Wirtschaft schwächelt, die Reputation Britanniens als stabile Demokratie beschädigt. Politisch, wirtschaftlich, sozial – der Brexit hat sich in keiner Kategorie als Erfolg erwiesen. Und Boris Johnson ist längst nicht mehr Regierungschef.
Die eigenen Gefolgsleute stürzten den ehemaligen Volkstribun Anfang Juli 2022, weil er in multiplen Skandalen um Korruption und Unehrlichkeit die Glaubwürdigkeit bei der Wählerschaft verloren hatte. Seinen Nachfolgern geht es kaum besser. Erst fuhr Liz Truss mit ihren Vorschlägen zu einer radikalen Finanzpolitik die britische Wirtschaft an die Wand. Seit Oktober müht sich der etwas weniger erratische, aber durchaus konservative Rishi Sunak, Land und Partei wieder in etwas ruhigere Gewässer zu führen. Das ist nicht leicht zu bewerkstelligen.
Denn die Talentmasse der konservativen Partei wurde durch den Brexitprozess extrem ausgedünnt. Moderate und proeuropäische Politiker wurden aus der Partei gedrängt oder ins politische Exil verfrachtet. Übrig blieben Tories, die für ihre Loyalität zum Projekt Brexit mit Ministerposten belohnt wurden. Das Resultat: Am Sonntag musste Rishi Sunak schon wieder einen hohen Politiker wegen unwürdigen Benehmens feuern. Der Parteivorsitzende Nadhim Zahawi hatte Steuernachzahlungen zu verheimlichen versucht. Zum Brexit-Jahrestag publiziert die Webseite „Conservative Home“ eine niederschmetternde Umfrage für das Regierungskabinett: ....
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