Liz Truss am Schleudersitz
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Die britische Premierministerin Liz Truss kämpft nach ihrem ersten Monat im Amt bereits um ihren Job. Ihr Versuch, die Inflation zu bremsen, ging nach hinten los. In Umfragen sinken ihre Beliebtheitswerte und die ihrer Tory-Partei rasant in den Keller. Ihre Reise nach Prag zum ersten Treffen der „Europäischen Politischen Gemeindschaft“ ist für Truss deshalb auch eine Chance, sich ihrem Volk als Staatschefin zu zeigen.
VON TESSA SZYSZKOWITZ am 6. Oktober 2022
„Sicherheit, Energie und Migration sind drei der dringendsten Prioritäten für die Briten“, schreibt Liz Truss in der Tageszeitung The Times. „Deshalb reise ich heute nach Prag zum Treffen der europäischen Staatschefs.“
Das klingt nach einem neuen Ton. Kooperation mit der EU stand bisher nicht gerade hoch oben auf der Tagesordnung der neuen britischen Premierministerin. Als Liz Truss im August um den Einzug in Downing Street kämpfte, sagte sie noch, sie wisse nicht, ob Emmanuel Macron „Freund oder Feind“ sei. Ihre Anwesenheit in Prag ist daher bezeichnend. Die neue „Europäische Politische Gemeindschaft“ ist eine Initiative des französischen Präsidenten. Und sie ist beidseitiger Einsicht geschuldet, dass ein Kontinent im Krieg zusammenrücken muss.
Da Liz Truss wie ihr Vorgänger Boris Johnson zu den wortreichsten Unterstützern des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gehört, sitzt sie in Prag gerne mit am Tisch, wenn 43 Staats- und Regierungschefs aus Europa zum Gründungstreffen der „Europäischen Politischen Gemeinschaft“ zusammenkommen.
Reise nach Prag zur Erholung
Trotz der seit dem Brexit angespannten Beziehungen zwischen den Briten und der EU ist die Reise nach Prag für die Britin geradezu eine Erholung. Zumindest im Vergleich mit ihrer Lage zu Hause. Der erste Monat der dritten konservativen Premierministerin des Vereinigten Königreichs war selbst nach den Maßstäben des politischen Dramas in den vergangenen Jahren katastrophal.
Am Mittwoch hatte sie mit einer Grundsatzrede den Parteitag ihrer konservativen Tories beendet. Eine knappe halbe Stunde sprach sie über ihr Programm für die britische Wirtschaft, das sie so zusammenfasste: „Wachstum, Wachstum, Wachstum“. Die meisten Delegierten waren schon am Dienstag vor ihrer Rede abgereist, weil am Mittwoch ein Eisenbahnerstreik die Reiserouten lahmlegte. Obwohl die Minister in der ersten Reihe des Konferenzzentrums in Birmingham zustimmend lächelten und applaudierten, war klar: Liz Truss hat den ohnehin kleinen Vertrauensvorschuss, den sie bei Amtsantritt am 7. September hatte, schon wieder verspielt.
Britische Wirtschaft weiter in der Krise
Daran ist sie selbst schuld. Gemeinsam mit ihrem frischgebackenen Schatzkanzler Kwasi Kwarteng hatte sie am 23. September ein Mini-Budget vorgestellt. Um die Folgen der Energiekrise zu finanzieren, werden weitere Schulden aufgenommen. In den kommenden sechs Monaten sollten die Maßnahmen mindestens 60 Milliarden Pfund (etwa 68 Milliarden Euro) kosten. Gleichzeitig aber wurde der höchste Steuersatz von 45 Prozent gekippt. Das britische Pfund stürzte daraufhin in den Keller, Investoren flüchteten von der britischen Börse, britische Staatsanleihen verloren an Wert, und Kreditgeber nahmen über 1600 Produkte vom Markt oder passten bisherige Kredite den neuen Bedingungen an.
Die Bank of England musste die britische Wirtschaft – und damit die Premierministerin – retten, indem sie für 65 Milliarden Pfund (74 Milliarden Euro) Staatsanleihen aufkaufte.
Die gesamte Operation verunsicherte nicht nur die Bevölkerung und brachte nicht nur die Tories gegen die neue Regierungsriege auf. Die finanzpolitischen Maßnahmen führten zum Gegenteil davon, was Truss und Kwarteng versprochen hatten: Die Inflation wurde nicht eingefangen, sondern stieg. Bei Lebensmitteln liegt sie jetzt bei 10 Prozent. Truss sah sich gezwungen, zurückzurudern. Der höchste Steuersatz wird nun doch nicht gekippt. ...
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Die britische Premierministerin Liz Truss kämpft nach ihrem ersten Monat im Amt bereits um ihren Job. Ihr Versuch, die Inflation zu bremsen, ging nach hinten los. In Umfragen sinken ihre Beliebtheitswerte und die ihrer Tory-Partei rasant in den Keller. Ihre Reise nach Prag zum ersten Treffen der „Europäischen Politischen Gemeindschaft“ ist für Truss deshalb auch eine Chance, sich ihrem Volk als Staatschefin zu zeigen.
VON TESSA SZYSZKOWITZ am 6. Oktober 2022
„Sicherheit, Energie und Migration sind drei der dringendsten Prioritäten für die Briten“, schreibt Liz Truss in der Tageszeitung The Times. „Deshalb reise ich heute nach Prag zum Treffen der europäischen Staatschefs.“
Das klingt nach einem neuen Ton. Kooperation mit der EU stand bisher nicht gerade hoch oben auf der Tagesordnung der neuen britischen Premierministerin. Als Liz Truss im August um den Einzug in Downing Street kämpfte, sagte sie noch, sie wisse nicht, ob Emmanuel Macron „Freund oder Feind“ sei. Ihre Anwesenheit in Prag ist daher bezeichnend. Die neue „Europäische Politische Gemeindschaft“ ist eine Initiative des französischen Präsidenten. Und sie ist beidseitiger Einsicht geschuldet, dass ein Kontinent im Krieg zusammenrücken muss.
Da Liz Truss wie ihr Vorgänger Boris Johnson zu den wortreichsten Unterstützern des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gehört, sitzt sie in Prag gerne mit am Tisch, wenn 43 Staats- und Regierungschefs aus Europa zum Gründungstreffen der „Europäischen Politischen Gemeinschaft“ zusammenkommen.
Reise nach Prag zur Erholung
Trotz der seit dem Brexit angespannten Beziehungen zwischen den Briten und der EU ist die Reise nach Prag für die Britin geradezu eine Erholung. Zumindest im Vergleich mit ihrer Lage zu Hause. Der erste Monat der dritten konservativen Premierministerin des Vereinigten Königreichs war selbst nach den Maßstäben des politischen Dramas in den vergangenen Jahren katastrophal.
Am Mittwoch hatte sie mit einer Grundsatzrede den Parteitag ihrer konservativen Tories beendet. Eine knappe halbe Stunde sprach sie über ihr Programm für die britische Wirtschaft, das sie so zusammenfasste: „Wachstum, Wachstum, Wachstum“. Die meisten Delegierten waren schon am Dienstag vor ihrer Rede abgereist, weil am Mittwoch ein Eisenbahnerstreik die Reiserouten lahmlegte. Obwohl die Minister in der ersten Reihe des Konferenzzentrums in Birmingham zustimmend lächelten und applaudierten, war klar: Liz Truss hat den ohnehin kleinen Vertrauensvorschuss, den sie bei Amtsantritt am 7. September hatte, schon wieder verspielt.
Britische Wirtschaft weiter in der Krise
Daran ist sie selbst schuld. Gemeinsam mit ihrem frischgebackenen Schatzkanzler Kwasi Kwarteng hatte sie am 23. September ein Mini-Budget vorgestellt. Um die Folgen der Energiekrise zu finanzieren, werden weitere Schulden aufgenommen. In den kommenden sechs Monaten sollten die Maßnahmen mindestens 60 Milliarden Pfund (etwa 68 Milliarden Euro) kosten. Gleichzeitig aber wurde der höchste Steuersatz von 45 Prozent gekippt. Das britische Pfund stürzte daraufhin in den Keller, Investoren flüchteten von der britischen Börse, britische Staatsanleihen verloren an Wert, und Kreditgeber nahmen über 1600 Produkte vom Markt oder passten bisherige Kredite den neuen Bedingungen an.
Die Bank of England musste die britische Wirtschaft – und damit die Premierministerin – retten, indem sie für 65 Milliarden Pfund (74 Milliarden Euro) Staatsanleihen aufkaufte.
Die gesamte Operation verunsicherte nicht nur die Bevölkerung und brachte nicht nur die Tories gegen die neue Regierungsriege auf. Die finanzpolitischen Maßnahmen führten zum Gegenteil davon, was Truss und Kwarteng versprochen hatten: Die Inflation wurde nicht eingefangen, sondern stieg. Bei Lebensmitteln liegt sie jetzt bei 10 Prozent. Truss sah sich gezwungen, zurückzurudern. Der höchste Steuersatz wird nun doch nicht gekippt. ...
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