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Flirt zwischen Trump und Tories

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Der Staatsbesuch des US-Präsidenten in London ist heikel: Großbritannien will in Zeiten des Brexit eine starke wirtschaftliche Beziehung, sowohl zu den USA als auch zu China. Donald Trump aber versucht, die Briten in den von ihm betriebenen Handelskrieg gegen die Chinesen hineinzuziehen

 

Der heimliche Star des amerikanischen Staatsbesuchs war nicht Donald Trump selbst, sondern vielmehr sein Abbild. Genau genommen ein überlebensgroßer Trump-Roboter, der auf einer goldenen Toilette sitzt und furzt. Ebendiese Witzfigur brachten Demonstranten am heutigen Dienstagmittag zum Trafalgar-Square, um gegen den US-Präsidenten zu demonstrieren.

Ein überdimensionales Trump-Baby in Windeln sollte überdies über die Innenstadt fliegen. Der Ballon ist schon seit dem Amtsbesuch des US-Präsidenten 2018 das Symbol der Proteste gegen ihn. Die Opposition hatte zu einem „Karneval des Widerstands“ aufgerufen, und die Briten ließen ihrem Sinn für exzentrische Komik freien Lauf.

Staatsbankett muss nicht sein

Gemma Hurley musste jedesmal lachen, wenn der Trump-Roboter furzte. Sonst findet die Marketingexpertin aus Cornwall Trump aber nicht amüsant. „Ich demonstriere gegen ihn, weil ich seine Politik furchtbar finde. Er ist frauenfeindlich, er spaltet die Gesellschaft“, sagt die junge Mutter, die ihr Baby Lowen mitgebracht hat. „Das Schlimmste war, dass er Kinder an der mexikanischen Grenze von ihren Müttern getrennt hat.“ Hurley hat durchaus Verständnis für das Argument, dass eine Regierung einen Präsidenten empfängt, auch wenn man seine Politik nicht schätzt. „Aber mit Staatsbankett bei der Queen? Das muss nicht sein.“

Die Demonstranten unter der Führung von Labour-Chef Jeremy Corbyn mühten sich redlich, das Lovefest zwischen den Trumps und den Tories zu stören. Bis zu 250.000 Demonstranten hatten die Veranstalter erhofft. Zehntausende drängten sich in Whitehall am heutigen Dienstag, als der US-Präsident gerade Theresa May in Downing Street besuchte. War Tag eins von Trumps Staatsbesuch im Vereinigten Königreich noch von royalem Pomp und Prunk geprägt, steht Tag zwei des Staatsbesuchs im Zeichen von Politik und Protesten.

USA gewinnen als Verbündete an Gewicht

Die besondere Beziehung zwischen dem Vereinigten Königreich und seinem engsten Verbündeten hat in Zeiten des Brexit noch an Gewicht gewonnen. Sollte Großbritannien aus der EU austreten, dann wird es sich stärker an seinen „wichtigsten Partner“ anlehnen wollen, wie Außenminister Jeremy Hunt nicht müde wurde, in jedes Mikrofon zu sagen, das sich ihm entgegenstreckte. Hunt, ein ehemaliger Remainer, der jetzt Brexit befürwortet, will Theresa May als Regierungschef nachfolgen.

Es wird Großbritannien allerdings nicht leicht fallen, die bisherige Handelstätigkeit mit der EU durch verstärkte Exporte in die USA zu ersetzen. 2017 gingen 18 Prozent aller britischen Exporte in die USA, und bloß 11 Prozent aus Amerika ins Vereinigte Königreich. Im Vergleich dazu waren es mit der EU 45 und 53 Prozent. Für den Handel sind drei Faktoren wichtig: Die Größe des Handelspartners, die Distanz zwischen den beiden Staaten und die Frage, wie eng die Partner wirtschaftlich vernetzt sind. In allen drei Punkten sind die Briten mit der EU eindeutig besser dran.

„Die Fesseln der EU“

Was Großbritanniens Brexit-Befürworter trotzdem oft preisen, ist ein künftiges Freihandelsabkommen mit dem großen Bruder Amerika. „Es wird ein toller, großer Deal, sobald Britannien die Fesseln der EU abgeworfen hat“, meint dazu US-Präsident Donald Trump. Schon TTIP, das Abkommen zwischen USA und der EU, scheiterte allerdings 2016, weil die EU weder Gesundheitsstandards bei Nahrungsmitteln senken noch ihren Markt für billige US-Agrarprodukte öffnen wollte. Die Briten müssten ebendies tun, um ein Abkommen mit dem großen Bruder zustande zu bringen.

Eine von der britischen Regierung in Auftrag gegebene Studie zeigte 2018 überdies, dass das britische Bruttosozialprodukt bei einem Freihandelsabkommen mit den USA bloß um 0,2 Prozent wachsen könnte, während es wegen des Brexit um zwei bis acht Prozent schrumpfen würde – den größten Schaden bedeutete das, was Donald Trump den Briten gerne rät: Einen Austritt aus der EU ohne Abkommen.

Trump fordert Gefolgschaft

Lukrative Deals wurden zwar bei Trumps Besuch in London nicht unbedingt erwartet, aber beide Seiten betreiben eine gestärkte Allianz in politischer wie wirtschaftlicher Hinsicht. Besonders wichtig ist es für den US-Präsidenten, die Briten bei seinem neuesten Unterfangen an Bord zu haben: dem Handelskrieg gegen China. Seit der US-Präsident immer höhere Zölle gegen chinesische Güter verhängt und China mit ähnlich drastischen Maßnahmen antwortet, ziehen die europäischen Staatschefs besorgt die Köpfe ein. Ein Handelskrieg zwischen den Supermächten schadete auch Ländern wie Großbritannien, das sich gerade in Zeiten des Brexit darauf freut, mit China die Handelsbeziehungen zu verstärken.

Trump fordert nun aber unverblümt Gefolgschaft von seinen britischen Freunden. Theresa Mays Nachfolger wird in den kommenden Monaten sehr genau abwägen müssen, was schwerer wiegt. Die besondere Beziehung zu einem zunehmend „nativen“, also nationalistischen Alliierten in Washington oder die aufsteigende Wirtschaftsmacht China – als nicht-demokratische Supermacht ebenfalls ein schwieriger Partner.

Boris Johnson als Wunschkandidat

Heikelster Streitfall dabei ist die Beteiligung des chinesischen Technologiekonzerns Huawei an der Entwicklung des britischen 5G-Netzes. Eine der letzten Amtshandlungen von Theresa May war es, ihren Verteidigungsminister zu feuern, nachdem der an den Daily Telegraph weitergetratscht hatte, dass manche Minister im Sicherheitsrat Bedenken geäußert hatten, die Chinesen zu beteiligen. Man könne nicht sicher sein, dass sie die Software-Installation nicht dazu nutzen würden, Großbritannien auszuspionieren. Trump droht den Briten damit, keine Geheimdienstinformationen mehr an die Briten weiterzugeben, wenn Huawai den Zuschlag erhält. Theresa May hatte bisher vor, Huawei nur in jenen Bereichen zu beteiligen, die sicherheitstechnisch nicht problematisch seien.

Die Huawei-Entscheidung wird erst ihr Nachfolger treffen. Ob der ihrem ausgleichenden Kurs folgen wird? Wenn der neue Premierminister Ende Juli Boris Johnson heißen sollte, ist dies sehr fraglich. Der umstrittene ehemalige Außenminister wählte den Tag des Trump-Besuchs, um seine Kampagne als Tory-Chef offiziell mit einem launigen Video auf Twitter durchzustarten. Donald Trump hatte schon vor Abflug in Washington kundgetan, dass er gerne Boris Johnson als Nachfolger von Theresa May sehen würde: „Er ist mein Freund. Er wäre ein großartiger Premierminister.“

Der Wahlhelfer aus dem weißen Haus

Nach diesem diplomatischen Fauxpas – Einmischung in Innenpolitik ist generell verpönt – schlotterten den Hütern des Besuchsprotokolls in Downing Street die Knie. Offiziell stand ein Treffen mit Boris Johnson nicht in Trumps vollgepacktem Terminkalender. Schließlich sitzt der ehemalige Außenminister heute bloß auf den hinteren Bänken im britischen Unterhaus.

Ob Trump am Ende lieber mit Boris in den Pub gehen wollte als mit der bereits entmachteten Theresa in Downing Street über die Zukunft der Beziehungen zwischen ihren Ländern zu plaudern? Schließlich wird May dieser Regierung nicht mehr angehören. Sie tritt am 7. Juni offiziell als Parteichefin ab und führt dann die Geschäfte der Regierungschefin nur so lange weiter, bis die Ablöse in Downing Street klingelt.

Wenn Boris Johnson May beerben sollte, wird er sich eventuell beim mächtigen Freund im Weißen Haus dafür bedanken wollen, dass der ihm so treu als Wahlhelfer zur Seite gestanden hat.

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