Kamera ab....und Action!
https://www.falter.at/zeitung/20230829/kamera-ab-und-action
Journalisten und Juristen ringen in den USA um eine große Frage der Demokratie und der Pressefreiheit: Sollen Fernsehkameras im Gerichtssaal Donald Trumps Prozesse übertragen?
TESSA SZYSZKOWITZ MEDIEN, FALTER 35/2023 VOM 29.08.2023
Er ist wieder da. Donald Trump ist zu X – vulgo Twitter – zurückgekehrt. Nach dem 6. Jänner 2021 hatte ihn das soziale Netzwerk wegen Anstiftung zur Gewalt blockiert. Der neue Twitter-Chef Elon Musk erlaubte ihm die Rückkehr. Der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten, der 2024 wieder ins Weiße Haus ziehen will, wählte für seinen ersten Xeet seinen „Mugshot“ – sein Porträtfoto von der Polizeistation. Häftling P01135809 – „Haarfarbe: blond oder rotblond“ –, fotografiert im Fulton County Sheriff’s Office in Atlanta. Dass er, wie er bei der Aufnahme der Daten behauptete, seit 2020 13 Kilo abgenommen hat, sah man auf dem Foto nicht. Im US-Bundesstaat Georgia musste sich der 77-jährige Politiker am vergangenen Donnerstag einfinden, um sich wegen acht Anklagepunkten in 13 Fällen registrieren zu lassen. Fingerabdrücke inklusive. Wie ein Verbrecher.
Das ist er auch in den Augen der Staatsanwaltschaft. Donald Trump steht als erster ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten in deren 247-jähriger Geschichte als Angeklagter einer Straftat vor Gericht. Vor dem Sheriff’s Office war die Medienhölle los. All das ist nur ein Vorgeschmack auf das Pressespektakel, das seinen Prozessen folgen wird. Zumal sie mitten in den Wahlkampf ums Weiße Haus fallen sollen. Der Prozess von Donald Trump in Georgia könnte das größte Courtroom-Drama der Fernsehgeschichte werden.
Der erste Prozess soll in einem Bundesgericht in Washington am 4. März starten. Den Gerichtstermin im Landesgericht in Georgia will die zuständige Richterin Fani Willis dann auch live im Fernsehen übertragen lassen. Die Debatte in den USA läuft heiß. Erfordert die Pressefreiheit Kameras im Gerichtssaal, oder schwinden so die Chancen auf einen fairen Prozess?
Der Falter hat nachgefragt. „Entweder unsere Gerichte funktionieren oder eben nicht“, sagt Joe Stephens, Gründungsdirektor des Journalismusprogramms an der University of Princeton: „Sich zu verstecken macht es nicht besser.“ In seinem früheren Berufsleben war Stephens investigativer Reporter bei der Washington Post. 2002 bekam die Tageszeitung den Pulitzer-Preis für ihre Berichterstattung über 9/11, Stephens war im Team. Für ihn ist der Fall klar: „Transparenz ist die Grundlage unserer Demokratie.“
Seit 1930 sind Kameras in den Gerichtssälen verboten. Die amerikanische Rechtsanwaltsvereinigung American Bar Association hielt sie für einen Störfaktor bei Prozessen. Bis auf zwei fanden das alle US-Staaten. Auch der Kongress beschloss das Kameraverbot für die Federal Courts, die Bundesgerichte. „Es ist eher unwahrscheinlich, dass der Kongress dieses Gesetz aufhebt“, sagt James Poniewozik, Gerichtsreporter der New York Times. In den Bundesgerichten landen Prozesse, in denen es um Verfassungsfragen geht.
Doch die US-amerikanische Öffentlichkeit fordert Übertragungen aus dem Gerichtssaal, viel heftiger als die europäische. In Österreich sind Kameras bei Gerichtsverhandlungen grundsätzlich verboten. „Fotografieren, Filmen und das Anfertigen von Tonaufnahmen“, so steht es im Paragraf 22 des Mediengesetzes, sind nicht erlaubt. Eine einsame Ausnahme machte der Verfassungsgerichtshof bei der Entscheidung zur angefochtenen zweiten Präsidentschaftswahl 2016: Die Fernsehstationen übertrugen live.
In den USA ist die Sache komplizierter. In Bundesgerichten gibt es keine Kameras, im Saal darf nur gezeichnet werden. Zwei von Trumps kommenden Prozessen finden in solchen Federal Courts statt. In Florida hat Sonderermittler Jack Smith angeklagt: Trump habe Geheimdokumente in seinem Anwesen Mar-a-Lago versteckt und die Untersuchung dazu behindert. In Washington wird es darum gehen, ob er beim Sturm aufs Kapitol am 6. Jänner 2021 das Wahlergebnis umdrehen wollte. Die beiden anderen Verfahren sind aber in Landesgerichten geplant. Dort können Richterinnen und Richter selbst entscheiden, ob sie Kameras zulassen.
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Journalisten und Juristen ringen in den USA um eine große Frage der Demokratie und der Pressefreiheit: Sollen Fernsehkameras im Gerichtssaal Donald Trumps Prozesse übertragen?
TESSA SZYSZKOWITZ MEDIEN, FALTER 35/2023 VOM 29.08.2023
Er ist wieder da. Donald Trump ist zu X – vulgo Twitter – zurückgekehrt. Nach dem 6. Jänner 2021 hatte ihn das soziale Netzwerk wegen Anstiftung zur Gewalt blockiert. Der neue Twitter-Chef Elon Musk erlaubte ihm die Rückkehr. Der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten, der 2024 wieder ins Weiße Haus ziehen will, wählte für seinen ersten Xeet seinen „Mugshot“ – sein Porträtfoto von der Polizeistation. Häftling P01135809 – „Haarfarbe: blond oder rotblond“ –, fotografiert im Fulton County Sheriff’s Office in Atlanta. Dass er, wie er bei der Aufnahme der Daten behauptete, seit 2020 13 Kilo abgenommen hat, sah man auf dem Foto nicht. Im US-Bundesstaat Georgia musste sich der 77-jährige Politiker am vergangenen Donnerstag einfinden, um sich wegen acht Anklagepunkten in 13 Fällen registrieren zu lassen. Fingerabdrücke inklusive. Wie ein Verbrecher.
Das ist er auch in den Augen der Staatsanwaltschaft. Donald Trump steht als erster ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten in deren 247-jähriger Geschichte als Angeklagter einer Straftat vor Gericht. Vor dem Sheriff’s Office war die Medienhölle los. All das ist nur ein Vorgeschmack auf das Pressespektakel, das seinen Prozessen folgen wird. Zumal sie mitten in den Wahlkampf ums Weiße Haus fallen sollen. Der Prozess von Donald Trump in Georgia könnte das größte Courtroom-Drama der Fernsehgeschichte werden.
Der erste Prozess soll in einem Bundesgericht in Washington am 4. März starten. Den Gerichtstermin im Landesgericht in Georgia will die zuständige Richterin Fani Willis dann auch live im Fernsehen übertragen lassen. Die Debatte in den USA läuft heiß. Erfordert die Pressefreiheit Kameras im Gerichtssaal, oder schwinden so die Chancen auf einen fairen Prozess?
Der Falter hat nachgefragt. „Entweder unsere Gerichte funktionieren oder eben nicht“, sagt Joe Stephens, Gründungsdirektor des Journalismusprogramms an der University of Princeton: „Sich zu verstecken macht es nicht besser.“ In seinem früheren Berufsleben war Stephens investigativer Reporter bei der Washington Post. 2002 bekam die Tageszeitung den Pulitzer-Preis für ihre Berichterstattung über 9/11, Stephens war im Team. Für ihn ist der Fall klar: „Transparenz ist die Grundlage unserer Demokratie.“
Seit 1930 sind Kameras in den Gerichtssälen verboten. Die amerikanische Rechtsanwaltsvereinigung American Bar Association hielt sie für einen Störfaktor bei Prozessen. Bis auf zwei fanden das alle US-Staaten. Auch der Kongress beschloss das Kameraverbot für die Federal Courts, die Bundesgerichte. „Es ist eher unwahrscheinlich, dass der Kongress dieses Gesetz aufhebt“, sagt James Poniewozik, Gerichtsreporter der New York Times. In den Bundesgerichten landen Prozesse, in denen es um Verfassungsfragen geht.
Doch die US-amerikanische Öffentlichkeit fordert Übertragungen aus dem Gerichtssaal, viel heftiger als die europäische. In Österreich sind Kameras bei Gerichtsverhandlungen grundsätzlich verboten. „Fotografieren, Filmen und das Anfertigen von Tonaufnahmen“, so steht es im Paragraf 22 des Mediengesetzes, sind nicht erlaubt. Eine einsame Ausnahme machte der Verfassungsgerichtshof bei der Entscheidung zur angefochtenen zweiten Präsidentschaftswahl 2016: Die Fernsehstationen übertrugen live.
In den USA ist die Sache komplizierter. In Bundesgerichten gibt es keine Kameras, im Saal darf nur gezeichnet werden. Zwei von Trumps kommenden Prozessen finden in solchen Federal Courts statt. In Florida hat Sonderermittler Jack Smith angeklagt: Trump habe Geheimdokumente in seinem Anwesen Mar-a-Lago versteckt und die Untersuchung dazu behindert. In Washington wird es darum gehen, ob er beim Sturm aufs Kapitol am 6. Jänner 2021 das Wahlergebnis umdrehen wollte. Die beiden anderen Verfahren sind aber in Landesgerichten geplant. Dort können Richterinnen und Richter selbst entscheiden, ob sie Kameras zulassen.
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